Influenza und RSV-Welle treiben die Patientenzahlen in die Höhe. Praxen und Kliniken ächzen angesichts des Ansturms – der beste Moment also, um einen freien Mittwoch für die niedergelassenen Ärzte zu fordern.
Und genau das hat heute (4. Januar 2023) der Virchowbund getan. Doch die Bundesvertretung der Niedergelassenen hat keineswegs einen entspannten Tag auf dem Golfplatz für die Kollegen im Sinn. Vielmehr ist die reduzierte Öffnungszeit eine notwendige Folge diverser politischer Fehlentwicklungen sowie der wirtschaftlichen Situation der Praxen.
„Die politische Untätigkeit und Fehlsteuerung der letzten Jahrzehnte zwingt die Ärzteschaft, die Notbremse zu ziehen“, kritisiert der Virchowbund-Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich. „Andernfalls drohen noch schlimmere Folgen, auch für die Patienten.“ Dass die Patienten indes keine Nachteile von einem geschlossenen Mittwoch zu erwarten hätten, soll die Übernahme von Akutfällen durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst garantieren – wie es an Wochenenden bereits jetzt der Fall ist. An den übrigen Praxistagen könne die ambulante Versorgung durch die niedergelassenen Haus- und Fachärzte weiterhin garantiert werden.
Die beruflichen Herausforderungen mit denen sich die Niedergelassenen konfrontiert sehen, reichen dabei vom Fachkräftemangel und ausbleibender wirtschaftlicher Anerkennung, bis zur Überbelastung in Sachen Bürokratie und Verwaltung. So sind niedergelassene Ärzte laut Virchowbund im Schnitt 61 Arbeitstage pro Jahr und Praxis mit Verwaltungsarbeit belastet – Tendenz steigend.
Zudem stehen die Arztpraxen durch die Energiepreisexplosion und die Inflation unter enormem Kostendruck. Auf der anderen Seite steht ein budgetiertes Finanzierungssystem und die Streichung von Geldern, wie aktuell durch die Abschaffung der Neupatientenregelung. Zudem bilden die Finanzverhandlungen mit den Krankenkassen und dem mageren Plus von zwei Prozent nicht die Kostenentwicklung ab.
Praxisschließungen am Mittwoch seien also nicht nur die folgerichtige Konsequenz einer grenzenlosen Überbelastung, sondern auch ein Mindestangebot, um den Beruf weiterhin familienfreundlich und attraktiv darstellen zu können.
Vorteile der Mittwochsschließungen sieht der Verband auch für den Arbeitsalltag der medizinischen Fachangestellten (MFA). Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich mache den Beruf attraktiver und Praxen wieder zu nachgefragten Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Aktuell leiden laut Virchowbund 75 % der haus- und fachärztlichen Praxen unter dem Fachkräftemangel, da u. a. die Krankenkassen ausgebildete MFA mit deutlich höheren Gehältern abwerben. Dass MFA bisher keinen staatlichen Corona-Bonus erhalten haben, hilft da auch nicht weiter.
Mit Blick auf Unterfinanzierung und Budgetierung des ambulanten Bereiches, sei auch die Konzentration auf vier Tage zur Patientenversorgung ein wichtiger Beitrag zur wirtschaftlichen Praxisführung und Kostensenkung. Nicht zuletzt könnten Praxen durch den Schließtag auch einen Teil der Energiekostensteigerung abfangen, da sie – anders als die Kliniken – kein staatliches Hilfspaket empfangen.
Nicht zuletzt sind auch die bekannten weichen Arbeitgeberskills ein bedeutender Faktor, um den Berufszweig zu erhalten. Aktuell fühlt sich bereits jeder dritte bis vierte Niedergelassene aufgrund der Belastungen ausgebrannt – wie es ohne Kompensation aussieht, kann man nicht schwer genug einschätzen. Eine Vier-Tage-Woche sei familienfreundlicher und mache die Niederlassung attraktiver für junge Ärzte, speziell gegenüber der Anstellung im Krankenhaus. Für den Verband ist die Forderung und Umstrukturierung eine Chance, aus dem Hamsterrad auszusteigen.
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