Nachdem die Europäische Kommission Glyphosat für weitere fünf Jahre zugelassen hat, bemühen sich Politiker nun um Schadensbegrenzung. Sie halten deutsche Sonderwege für möglich, um das Herbizid doch noch zu verbieten. Ein Gutachten bestätigt ihre Argumentation.
Ende November gaben 18 aller 28 EU-Länder im Vermittlungsausschuss der EU-Kommission grünes Licht, Glyphosat für weitere fünf Jahre zuzulassen. Deutschland hatte sich bei einer früheren Abstimmung zwar enthalten, schließlich aber doch zugestimmt. Seitdem muss Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) viel Kritik einstecken. In Berlin hieß es, er habe sich nicht an Absprachen der früheren Koalition gehalten. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sprach sogar von einem „massiven Vertrauensbruch“ innerhalb der geschäftsführenden Bundesregierung.
Hinter der Diskussion stecken wissenschaftliche Kontroversen. „Bei allem, was wir heute wissen, ist Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend. Punkt. Das sagen wir auf der Grundlage von fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen“, erklärt Bernhard Url. Er ist Direktor der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Das entscheidende Wort in seinem Zitat „wahrscheinlich“ heißt aber nicht, dass das Präparat zwangsläufig harmlos ist. Zwei Punkte fachen die Debatte immer wieder aufs Neue an:
Die Datenlage bleibt also verworren und weitere Studien sind erforderlich. Genau hier setzt die Juristin und ehemalige französische Umweltministerin Corinne Lepage mit einem Gutachten an. Sie schreibt, die EU würde sowohl ihrem Vorsorgeprinzip als auch ihren Prinzipien des Risikomanagements widersprechen. Vielmehr gebe es ausreichende Hinweise auf die Gefahren für Gesundheit und Umwelt. Damit fehle einer Zulassung die Basis.
Auf Anfrage der Grünen hat das Bundestags-Europareferat ebenfalls ein Gutachten erstellt. Gemäß der Pflanzenschutz-Verordnung sei es möglich, dass „spezifische nationale Verwendungsbedingungen und deren Konsequenzen, beispielsweise für die Biodiversität, in die Prüfung einbezogen werden, welche der Zulassung des Pflanzenschutzmittels möglicherweise entgegenstehen oder bestimmte Auflagen erfordern“, schreiben Experten. Das heißt im Klartext: Jetzt müssen Biologen Argumente suchen, warum Glyphosat bei uns mehr Schaden anrichtet als in anderen EU-Staaten. Unter diesen Gegebenheiten seien „nationale Zulassungen unter Auflagen oder ein nationales Verbot von Pflanzenschutzmitteln, deren Wirkstoff auf Unionsebene genehmigt worden ist, möglich“. Die Frage, ob konkrete Voraussetzungen für ein Verbot existieren, wollten die Gutachter dem Bericht zufolge aber nicht abschließend beantworten.
Christian Schmidt sagte jedenfalls, er habe bei seiner Zustimmung in Brüssel eine Biodiversitätsklausel mit Einschränkungen für Glyphosat mit verhandelt. Mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bestehe Einigkeit, Auswirkungen auf die Artenvielfalt bei der Zulassung und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln künftig stärker zu beachten.