Unregelmäßige Arbeitszeiten und besonders Nachtschichten hinterlassen Spuren im Organismus – bis zum Herzinfarkt. Dass sie sich auch auf die Schwere des Infarkts auswirken, zeigen jetzt Studien.
Es ist bekannt, dass Schichtarbeit den Körper stresst und den Biorhythmus durcheinanderbringt. Sie kann unter anderem zu Schlafstörungen sowie Herz-Kreislaufbeschwerden führen. Oft bleibt zudem keine Zeit, eine gesunde Ernährung im Schichtdienst umzusetzen. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2012 konnte zeigen, dass Schichtarbeit langfristig das Herzinfarktrisiko um 23 % erhöht.
In die gleiche Richtung weisen die Daten von Wang et. al aus dem Jahr 2021. Die Forscher entdeckten einen signifikanten Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und dem Risiko, an einer koronaren Herzerkrankung zu erkranken. Häufige Nachtschichten schienen die Gefahr um 22 %, Nachtarbeit über mindestens zehn Jahre um 37 % und drei bis acht Nachtschichten pro Monat über das gesamte Berufsleben um 35 % zu erhöhen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Schichtarbeit auch in den Begutachtungsleitlinien der koronaren Herzerkrankung der Deutschen Rentenversicherung Beachtung findet.
Ob Schichtarbeit nicht nur das Risiko für einen Herzinfarkt beeinflusst, sondern auch Einfluss auf den Reperfusionsschaden nach einem ST-Hebungsinfarkt (STEMI) hat, dieser Frage ging nun ein chinesisches Forscherteam nach. Zudem sollte geklärt werden, welche molekularen Mechanismen eine Rolle spielen.
Die Forscher analysierten Daten des EARLY-MYO-CMR-Registers (Early Assessment of Myocardial Tissue Characteristics by Cardiac Magnetic Resonance in STEMI). Die Studienpopulation umfasste 412 Patienten mit einem STEMI, die im Zeitraum zwischen 2013 und 2021 nach einer primären perkutanen Reperfusionstherapie eine Kardio-Magnetresonanztomografie (MRT) erhalten hatten. Als primären Studienendpunkt definierte das Forscherteam die mittels Kardio-MRT objektivierte postinterventionelle Infarktgröße. Außerdem untersuchten sie unter anderem, wie viele Personen im weiteren Verlauf kardiovaskuläre Major-Ereignisse wie Tod, Reinfarkt, Herzinsuffizienz oder einen Schlaganfall erlitten hatten.
Von den 412 Studienteilnehmern waren 93 % männlich. Die Teilnehmer waren im Median 58 Jahre alt. 102 (24,8 %) arbeiteten im Schichtbetrieb. Im Median vergingen zwischen der koronararteriellen Revaskularisation und der Bestimmung der Infarktgröße 5 Tage. Bei Berücksichtigung potenzieller Störvariablen konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Schichtarbeit und einer ausgedehnteren Infarktgröße (adjustiertes ß 5,94 %; 95 % KI, 2,94–8,94) nachgewiesen werden. Die Wissenschaftler konnten anhand der Daten zudem zeigen, dass Schichtarbeit für eine mikrovaskuläre Obstruktion (adjustierte Odds Ratio 2,28; 95 % KI, 1,26–4,12) sowie für eine verminderte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (adjustiertes ß -4,1 %; 95 % KI, -6,5 bis -1,5) prädisponierte.
Im Verlauf von im Median 5 Jahren erlitten 75 von 390 Personen mit vorhandenen Nachbeobachtungsdaten kardiovaskuläre Major-Ereignisse (19,2 %). Die multivariate Analyse konnte zeigen, dass Schichtarbeit hierfür ein signifikanter Risikofaktor war (adjustierte Hazard Ratio 1,92; 95 % KI 1,12–3,29). Im Anschluss überprüften die Forscher die Beobachtungen im Tierversuch. Sie störten gezielt den Schlaf-Wach-Rhythmus von Schafen und Mäusen und induzierten dann künstlich einen Herzinfarkt. In dieser Simulation einer Schichtarbeit konnte ebenfalls nachgewiesen werden, dass es einen negativen Einfluss auf die Infarktgröße bzw. den Reperfusionsschaden gab. Im Anschluss untersuchte das Forscherteam den molekularen Mechanismus. Sie stellten unter anderem eine verminderte Expression von NR 1 D 1 (Nuclear Receptor Subfamily 1 Group D Member 1) fest. Weitere Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Verminderung von NR 1 D 1 den Reperfusionsschaden über eine inflammatorische Antwort, mutmaßlich über CLCF1 (Cardiotropin-Like Cytokine Factor 1), induziert.
Eine Limitation der Studie ist das kleine Patientenkollektiv und der geringe Anteil weiblicher Studienteilnehmer. Dafür steuert die Publikation weitergehende Evidenz durch das gleichzeitig bestehende Tiermodell bei, das die Erkenntnisse der Patientendatenauswertung stützt.
Diese aktuellen Daten können zeigen, dass Schichtarbeit den Reperfusionsschaden nach einem akuten STEMI verstärkt und zudem die Wahrscheinlichkeit von kardiovaskulären Komplikationen im Verlauf erhöht. Die Ergebnisse sind stimmig zu den Daten von früheren Studien und bekräftigen die Bedeutung eines gesunden zirkadianen Rhythmus in der Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen.
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