Tabakerzeugnisse oder Arzneimittel: Die Einordnung von E-Zigaretten beschäftigte nicht nur Apotheker, sondern auch Gerichte. Jetzt liegt ein höchstinstanzliches Urteil vor, an dem sich wissenschaftliche Geister scheiden.
E-Zigaretten und nikotinhaltige Lösungen zur Verneblung, sogenannte Liquids, bleiben frei verkäuflich – so lautet ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 3 C 25.13 bis 27.13). Als Vorinstanz hatte das Oberverwaltungsgericht Münster ähnlich entschieden. Damit hatten Hersteller und Vertreiber letztlich Erfolg – sie wollten Vertriebswege über den Tabakhandel nicht verlieren. Richter argumentierten, Nikotin beeinflusse zwar physiologische Funktionen und habe eine pharmakologische Wirkung. Allerdings komme es auf die „Gesamtbetrachtung“ an. Wissenschaftliche Beweise, dass E-Zigaretten tatsächlich zur dauerhaften Nikotinentwöhnung geeignet seien, fehlten derzeit.
Am Urteil scheiden sich die Geister. Der Verband des eZigarettenhandels (VdeH) hat sein vorrangiges Ziel erreicht: E-Zigaretten bleiben Tabakprodukte. Im Gegensatz dazu waren Experten am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für eine Klassifizierung als Medikament eingetreten – ohne Erfolg. Das Institut bemängelte, auch künftig würden keine Untersuchungen zur Gesundheitsgefährdung durchgeführt. Bleibt noch eine vertane Chance: Bis heute fehlen methodisch hochwertige Studien, ob elektrische Verdampfer tatsächlich die Zahl an Krebstoten verringern, wie Befürworter argumentieren. Sie bewerten E-Zigaretten als harmlosere Variante des Tabakkonsums uns als mögliche Nikotinersatztherapie, haben aber keine hieb- und stichfesten Daten vorzuweisen.
Jenseits wissenschaftlicher Betrachtungen zieht das aktuelle Urteil mögliche Konsequenzen nach sich. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerium hatte vor elektronischen Verneblern gewarnt – mit Hinweis auf deren fehlende Zulassung als Arzneimittel. Das BVerwG schrieb entsprechenden Äußerungen eine verbotsähnliche Wirkung zu. „Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts beeinträchtigten die öffentlichen Äußerungen die Wettbewerbsposition der Klägerin am Markt faktisch ähnlich wie eine Verkaufsbeschränkung“, hieß es weiter. Jetzt ruft der VdeH Händler und Hersteller zu einer Schadenersatzklage gegen Nordrhein-Westfalen auf. Laut Verbandsangaben sei der Handel ab 2012 massiv eingebrochen. Wer mag da schon groß über Verbraucherschutzaspekte nachdenken?