Natürliche Wirkstoffe wie Tiergifte sollen künftig dazu beitragen, die Ausbreitung von Grippeviren zu hemmen. Ein Forscherteam zeigte nun, warum es sich lohnt, das therapeutische Potenzial der Naturstoffe im Auge zu behalten.
Fieber, Husten, Halsschmerzen und allgemeines Unwohlsein – Grippeviren verbreiten sich derzeit in rasantem Tempo. Influenza-A- und -B-Viren verursachen schwere, ansteckende Infektionen: Weltweit führen die jährlichen Grippeepidemien zu schätzungsweise drei bis fünf Millionen schweren Krankheitsfällen, von denen rund zehn Prozent tödlich ausgehen Ein Grund für diese hohen Zahlen liegt in der schnellen Mutationsfähigkeit der Influenzaviren.
Den wirksamsten Schutz gegen die sich ständig verändernden Virusstämme bietet die jährliche Impfung. Kommt es jedoch zu einer Infektion, sind bislang in den meisten Ländern nur zwei Klassen von Medikamenten zugelassen: M2-Kanalblocker und Neuraminidasehemmer. Diese sind jedoch nur begrenzt wirksam, da viele Influenzastämme bereits Resistenzen entwickelt und ihre Empfindlichkeit gegenüber diesen Wirkstoffen verloren haben.
Ein Team aus Wissenschaftlern des Fraunhofer-Instituts und des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik plädiert daher dringlich für die Erforschung weiterer Möglichkeiten zur Behandlung einer Influenzainfektion. Dabei haben sie insbesondere die breite Palette an Naturstoffen im Blick, die von Mikroben und Tieren gebildet werden. Das Team veröffentlichte nun im Fachjournal Viruses einen Übersichtsartikel, der nicht nur über bereits zugelassene Medikamente informiert, sondern auch das therapeutische Potenzial von Naturstoffen erörtert, die eine Replikation des Influenzavirus hemmen. Mit ihrer Zusammenstellung liefern sie neue Impulse für die künftige Entwicklung neuer Grippemedikamente.
Die Forscher kommunizieren in ihrem Beitrag einen dringenden Bedarf an neuen Wirkstoffen gegen ein breites Spektrum von Influenzasubtypen. Naturstoffe hätten insbesondere auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten bereits einen wichtigen Beitrag zur Identifizierung neuer Leitstrukturen geleistet. „Zu den aussichtsreichen Naturstoffen zählen Tiergifte, antivirale Substanzen in Pilzen und auch Bakterien, die nicht nur für Antibiotika, sondern auch für Medikamente gegen Viren interessant sind“, sagt Studienleiterin Dr. Kornelia Hardes. „Die enorme Vielfalt und strukturelle Komplexität machen Naturstoffe zu einem vielversprechenden Ausgangspunkt für die Erforschung und Identifizierung neuer Verbindungen, die gegen Influenzaviren wirken könnten“.
Hades analysiert selbst natürliche Stoffe aus Pilzen, Bakterien und Insekten – sowie Tiergifte, die von Stachelrochen, Spinnen oder Schlangen produziert werden und erfolgversprechend erscheinen, um sie als Medikamente zur Behandlung von Grippeerkrankungen einsetzen zu können. Auch kombinierte Therapien mit mehreren Medikamenten werden Hades' Ansicht nach zu selten in Erwägung gezogen, obwohl Studien gute Ergebnisse zeigten.
Das Problem: Welche Virus-Subtypen aktuell zirkulieren kann zwar anhand genomischer Analysen erkannt und überwacht werden, dennoch erschweren unterschiedliche Analysemethoden die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Zudem sind Daten wie etwa zur Resistenzentwicklung nicht verfügbar. Hinzu kommen die hohen Kosten für Prüfverfahren. „Bedenkt man jedoch neben den gesundheitlichen Vorteilen auch die schwere sozioökonomische Belastung, die die mit der Erkrankung verbundenen Kosten für die Gesundheitssysteme darstellen, sind neue Medikamente dringend notwendig“, so Hardes.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen. Hier und im Text findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Katherine Hanlon, unsplash.