Das Allan-Herndon-Dudley-Syndrom entsteht durch eine Mutation des MCT8-Proteins. Nun wurde erstmals ein Avatar-Modell vorgestellt, um neue therapeutische Strategien der seltenen Erkrankung zu testen.
Das Protein MCT8 ist für den Transport von Schilddrüsenhormonen ins Zellinnere verantwortlich. Patienten, die eine Mutation dieses Proteins aufweisen, leiden unter dem Allan-Herndon-Dudley-Syndrom – einer seltenen Krankheit, die sich in schwerwiegenden neurologischen Beeinträchtigungen äußert. Das Problem: Jeder Patient kann eine individuelle Mutation von MCT8 aufweisen.
Ein internationales Forscherteam stellte nun das erste Avatar-Modell des Syndroms vor, um in Zukunft zielgerichtete Therapiemöglichkeiten zu testen. Die Wissenschaftler bauten dazu mithilfe von CRISPR-Editierungstechniken bei Mäusen eine Mutation des MCT8-Proteins ein, die auch bei einigen menschlichen Patienten auftritt.
„Die Entwicklung von Avatar-Modellen, die die Veränderungen der Patienten mit der gleichen Mutation getreu wiedergeben, ist der erste Schritt zu einer maßgeschneiderten Therapie. Das Modell bildet die Basis, um eine mögliche genetische Reparatur dieser Mutation im Tiermodell zu untersuchen und bewerten zu können, ob dadurch die schweren neurologischen Veränderungen dieser Patienten vermieden oder rückgängig gemacht werden können“, erklärt Zellbiologin und Studienautorin Carmen Grijota.
Für die Studie analysierten die Forscher zunächst das Verhalten, das Angstniveau und die motorische Koordinationsfähigkeit der Test-Mäuse, die die Mutation P321L aufwiesen. Anschließend wurden die Gehirne der Tiere mit einer speziellen Färbungen versehen, um die neurologischen Veränderungen zu untersuchen. „Schließlich wurde eine eingehende Computeranalyse durchgeführt, um zu verstehen, wie sich die Mutation auf die Struktur des MCT8-Trägers und damit auf seine Funktion des Transports von Schilddrüsenhormonen auswirken könnte“, erklärt Studienautor Víctor Valcárcel.
Bei den Mäusen wurde ein Mangel an Schilddrüsenhormonen im Gehirn sowie ein Überschuss an Hormonen in den anderen Geweben festgestellt. Weiterhin wiesen die Mäuse Veränderungen in der Verteilung der Neuronen in der Großhirnrinde und eine Verringerung der GABAergen-Neuronen auf. Bei den mutierten Mäusen wurden ebenfalls Einschränkungen der motorischen Koordination und ängstliches Verhalten festgestellt. Alle diese Befunde spiegeln auch die Veränderungen wider, die für menschliche Patienten mit Allan-Herndon-Dudley-Syndrom charakteristisch sind.
In weiteren Forschungsschritten möchten die Wissenschaftler den Avataren nun Medikamenten verabreichen, die die Aktivität von Schilddrüsenhormonen imitieren, aber einen andere Träger als MCT8 verwenden, um in die Zellen zu gelangen. „Die Idee ist es, herauszufinden, ob diese Medikamente das Gehirn der mutierten Maus erreichen und all diese Veränderungen verbessern können“, fasst Forscherin Marina Guillén zusammen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universidad Complutense de Madrid. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Kanashi. unsplash