Zimt, Muskat und Tonkabohnen – was wäre ein Weihnachtsessen ohne Gewürze? Aber nicht nur geschmacklich haben sie es in sich. Das ein oder andere Gewürz hat auch toxikologisch interessante Effekte.
Advent und Weihnachten sind die Zeit der Gewürze. Ob Stollen, Lebkuchen oder der Entenbraten – es duftet herrlich nach Zimt, Nelke und Muskat. Seit der Antike werden Gewürzen heilende Wirkungen zugeschrieben. Legendär ist „Zimt gegen Zucker“. Doch können sie auch schädlich sein.
Entensauce mit Nelke, Basilikum und Muskatnuss – lecker. Wer denkt aber schon daran, dass die in diesen Gewürzen enthaltenen Inhaltsstoffe in größeren Mengen schädlich, gar mutagen sein können? Bei der Kanzerogenität oder Mutagenität lassen sich kaum Grenzwerte angeben.
Der Muskatnussbaum ist ein tropischer Baum, der auf den Maluku-Inseln in Indonesien beheimatet ist (Myristica fragrans, Familie Myristicaceae). Seine Samen bestehen aus einem Kern und einer Hülle, die den Kern umgibt. Die getrockneten Kerne dieser reifen Samen bezeichnet man als Muskatnuss.
Als Haushaltsgewürz und Aromastoff wird die Muskatnuss in vielen Lebensmittelprodukten verwendet, beispielsweise in Pudding, süßen Saucen, Backwaren, Fleisch, Fisch, Gurken, Süßigkeiten, Getränken und eben weihnachtlichen Aromen.
In geringen Mengen enthält das Gewürz allerdings toxische Inhaltsstoffe, die Alkenylbenzole.
Bei den Alkenylbenzolen handelt es sich um eine Gruppe natürlich vorkommender Substanzen, die als Sekundärmetaboliten in verschiedenen Pflanzen, darunter Muskatnuss, Nelken und Basilikum, gebildet werden. Viele Alkenylbenzole sind bekannte Giftstoffe: Beispielsweise wurden Safrol und Methyleugenol auf der Grundlage umfangreicher toxikologischer Beweise als „möglicherweise krebserzeugend für den Menschen“ eingestuft.
So wurde in einer Studie des National Toxicology Programs gezeigt, dass die wiederholte Einnahme von Methyleugenol Stoffwechselenzyme kumulieren kann, was widerum zu einer stärkeren Gewebeakkumulation führt. Die Folge ist eine höhere Wahrscheinlichkeit für Genotoxizität, Mutationen und maligne Zelltransformationen. Die meisten Alkenylbenzole, einschließlich Safrol und Methyleugenol, können in der Regel DNA-Addukte bilden und nach metabolischer Aktivierung eine offensichtliche Kanzerogenität aufweisen, wenn sie in hohen Dosen oder bei längerer Exposition verwendet werden.
Für die Einschätzung des potentiellen Risikos auf die menschliche Gesundheit durch eine ernährungsbedingte Expositon mit Alkenylbenzolen sei allerdings noch weitere Forschung erforderlich, so das Urteil des Gemeinsamen FAO/WHO-Expertenausschusses für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) in den Vereinigten Staaten aus dem Jahr 2008.
Ein wichtiges Beispiel für ein verarbeitetes Lebensmittel, das Alkenylbenzole enthält, ist Pesto. Dieses Pasta-Adjuvans aus Italien besteht hauptsächlich aus Olivenöl, Hartkäse, Pinienkernen, Knoblauch, Salz und Basilikumblättern. In basilikumhaltigem Pesto wurden verschiedene Alkenylbenzole in unterschiedlichen Konzentrationen nachgewiesen, darunter Methyleugenol, Myristicin, Estragol und Apiol.
DAS Weihnachtsgewürz schlechthin ist sicherlich Zimt. Neben positiven Wirkungen kann das braune Pulver, je nach Sorte, durch die enthaltenen Cumarine aber auch (leber)toxisch sein. Dabei kommt es auf die Menge an.
In Fertigprodukten ist der Höchstwert für Zimt in der Europäischen Union festgeschrieben. Zwar schöpfen nach Angaben des BfR viele Lebensmittelproduzenten diesen Höchstwert aus, dennoch sei die Überschreitung der empfohlenen Menge nur möglich, wenn man täglich große Mengen zimthaltiger Lebensmittel zu sich nehmen würde. Bei Kindern wäre dieser Höchstwert beispielsweise erreicht, wenn sie etwa 6 kleine Zimtsterne essen würden (ca 30 g) oder 100 Gramm Lebkuchen. Ein Erwachsener (ca. 60 kg) dürfte bis zu 24 kleine Zimtsterne essen.
Immer wieder wird Zimt als Therapie zur Verbesserung des Glukosestoffwechsels empfohlen – dazu sind aber nicht unerhebliche Mengen eines wässrig extrahierten Zimtextraktes notwendig. Eine Studie untersuchte an Ratten, ob mit Zimt gefütterte Muttertiere metabolische Veränderungen an ihre Jungen weitergeben.
Die mütterliche Ernährung während der Laktation wirkte sich tatsächlich lebenslang auf die Gesundheit der Nachkommen aus. In der tierexperimentellen Studie zeigten die Ratten im Erwachsenenalter ein verändertes Hormonprofil mit reduzierten Leptin-, Adiponektin- und Insulinspiegeln im Serum, begleitet von einer niedrigeren Glykämie, wenn das stillende Muttertier Zimt erhielt.
Auch in der Schwangerschaft ist Zimt ein heiß diskutiertes Thema. So zeigen Suchmaschinen für die Verknüpfung „Zimt + Wehen“ weit über 1 Millionen Suchergebnisse an. Auf Patientenportalen werden dem Gewürz emmenagoge und abortive Wirkungen zugeschrieben, der Verzehr großer Mengen davon könnte abtreibende Wirkungen haben. Harte wissenschaftliche Fakten existieren aber bislang zu der Fragestellung nicht.
Karpfen oder Lachs und dazu würziger Dill: ein Klassiker. Auch hier sollten Schwangere vielleicht nicht zu sehr zulangen – oder doch gerade sie? Dill, und vermutlich auch andere Anethumarten wie Anis, können vorzeitige Wehen auslösen, aber auch den Geburtsvorgang verkürzen. Dillsamen als Teeaufguss könnten weiterhin die Angst während der Geburt reduzieren und die Wehentätigkeit anregen.
In einer aufwendigen Metaanalyse von Balbontin et al. wird Schwangeren jedoch grundsätzlich geraten, auf Kräuter- und Gewürzbasierte Medizinprodukte zu verzichten, da keine robuste Daten zur Sicherheit existieren.
Aber wie schon Paracelsus wusste, die Menge macht das Gift. Eine Handvoll Zimtsterne, Lebkuchen mit Muskat und der Braten oder die Crème brûlée mit etwas Zimt wird das gesundheitliche Weihnachtsvergnügen nicht trüben.
Als Nachtisch nach der Weihnachtsgans dann ein Parfait mit Tonkabohne. Der leicht an Vanille und Waldmeister erinnernde Geschmack passt perfekt als Abschluss und soll aphrodisierend wirken.
Aber auch in der Tonkabohne ist Cumarin (bekannt aus dem Zimt) enthalten. Neben seinen hepatotoxischen Eigenschaften hat Cumarin einer Studie von Lu et al. zufolge eine gerinnungshemmende Wirkung. Sein Derivat Warfarin ist ein Vitamin-K-Analogon, das die Synthese von Gerinnungsfaktoren hemmt und in der klinischen Behandlung endovaskulärer Embolien häufiger zur Verwendung kommt.
Ohne auf gustatorische Empfindungen Rücksicht zu nehmen, könnte das gesundheitlich perfekte Weihnachtsmenü u.a. so aussehen: Als ersten Gang eine Lachs-Kokos-Suppe mit viel Omega-3-Fettsäuren. Es folgt eine fettarme Maispoularde (diesmal leider ohne Haut) mit Rotkohl und einem Glas Rotwein – beides mit vielen Antioxidantien und Rutinen. Als Nachtisch gibt es dann ein Dessert mit Kirsche, die durch ihren Melatonin-Gehalt den Schlaf fördert. Als „Absacker“ diesmal kein Digestiv – der schmeckt zwar, bringt aber leider nichts für die Gesundheit. Dafür aber ein Espresso mit verdauungsfördernder Chlorogensäure, oder – für ganz Hartgesottene – ein Spaziergang, der wirkt auch verdauungsfördernd.
Alternativ: Essen Sie einfach was Sie wollen, denn es ist schließlich nur einmal im Jahr Weihnachten!
Bildquelle: Pro Church Media, unsplash.