Bei der 35-jährigen Patientin gibt es einige Auffälligkeiten im Ersttrimester-Ultraschall, ein Meckel-Gruber-Syndrom wird diagnostiziert. Die Eltern müssen eine schwere Entscheidung treffen – und bereiten sich auf eine palliative Geburt vor.
Bei einer 35-jährigen Schwangeren, die bereits drei gesunde Kinder spontan zur Welt gebracht hatte, fiel im Ersttrimester-Ultraschall folgendes auf:
Bei der anschließenden speziellen Ultraschalluntersuchung durch einen Pränatalmediziner (Degum III) wurde ein Meckel-Gruber-Syndrom diagnostiziert. Dabei handelt es sich um einen seltenen, autosomal-rezessiven Gendefekt mit zahlreichen Fehlbildungen wie Enzephalozele und Zystennieren, die zu einem intrauterinen oder raschen postnatalen Versterben des Kindes führen. Daher wird meist zeitnah ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt. Das Elternpaar entschied sich jedoch zunächst für ein abwartendes Verhalten.
Während des Schwangerschaftsverlaufes nahm der Bauchumfang des Kindes aufgrund mehrerer großer Nierenzysten stark zu, so dass die Mutter zunehmend Beschwerden bis hin zu Atemeinschränkungen entwickelte. Bei weiterhin abwartendem Verhalten wäre durch den massiven fetalen Abdomenumfang die Chance auf eine Spontangeburt immer geringer geworden. Daher wurde dem Elternpaar die Geburtseinleitung aus mütterlicher Indikation mit 29+5 Schwangerschaftswochen empfohlen. Da in diesem Schwangerschaftsalter bereits Lebensfähigkeit besteht, wurde die Möglichkeit eines vorausgehenden Fetozids besprochen, was für die Eltern nicht in Frage kam. Sie wünschten eine interventionsarme, palliative Geburt. Auf eine CTG-Überwachung wurde verzichtet und eine sekundäre Sectio hätte nur aus mütterlicher Indikation erfolgen sollen. Eine neonatologische Betreuung war primär nicht vorgesehen.
Nach unkomplizierter Spontangeburt unter PDA kam ein leicht deprimierter, leise wimmernder Junge zur Welt. Da keine Anzeichen von Dyspnoe oder Schmerzen vorlagen, wurde das Kind seinen Eltern in die Arme gelegt. Eine befreundete Gynäkologin der Familie kam zur Unterstützung hinzu. Nach etwa 30 Minuten schlief das Kind ruhig ein und verstarb friedlich in den Armen seiner Mutter.
Alle Beteiligten sorgten für eine empathische, dem Anlass entsprechende Atmosphäre und ermöglichten den Eltern eine wertvolle Zeit des Abschiednehmens. Erinnerungsbilder wurden angefertigt, Abdrücke von Füßen und Händen für die Traueranzeige genommen. Eine Beisetzung im Familien- und Freundeskreis unterstützte den Trauerprozess.
In Deutschland ist ein Abbruch in jedem Stadium der Schwangerschaft möglich, wenn die körperliche oder seelische Gesundheit der Mutter gefährdet und diese Gefahr auf keine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann. Besteht bereits Lebensfähigkeit des Kindes, hat sich die Durchführung des Fetozids etabliert. Hierbei wird dem Ungeborenen durch eine ultraschallgesteuerte intrakardiale Punktion Kaliumchlorid, Digoxin oder Xylocain® verabreicht. Dadurch wird sichergestellt, dass nach der fetalen Herzasystolie ein totes Kind geboren wird. Diese Methode wird auch bei einer Mehrlingsschwangerschaft angewandt, wenn durch einen selektiven Fetozid nur die gesunden Kinder weiterleben sollen. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes wurden 704 Fetozide im Jahr 2021 durchgeführt, davon 61 bei Mehrlingsschwangerschaften.
Es liegen Studien zur psychischen Belastung durch einen Fetozid vor. Während der Effekt auf die durchführende Person aufgrund von Shared Decision Making eher gering zu sein scheint, leiden Frauen nach einem Spätabbruch weit häufiger und massiver an einem Trauma. Dennoch würden die meisten Frauen die damalig getroffene Entscheidung nicht rückgängig machen wollen.
Für manche Elternpaare, die diese invasive, das Kind im Mutterleib tötende Vorgehensweise nur schlecht verarbeiten können, ist die palliative Geburt eine Alternative. An der Berliner Charité wurde vor einigen Jahren ein Konzept für das Vorgehen bei einer palliativen Geburt entwickelt, dem sich weitere Kliniken bereits angeschlossen haben.
Die palliative Geburt stellt eine Alternative zum Schwangerschaftsabbruch dar. Manche Frauen, bei denen in der Frühschwangerschaft eine Erkrankung ihres Kindes mit stark lebensverkürzender Prognose diagnostiziert wurde, etwa eine Trisomie 13, 18 oder ein Meckel-Gruber-Syndrom, möchten keinen Schwangerschaftsabbruch. Für betroffene Elternpaare kann insbesondere ein Fetozid bei bereits lebensfähigem Kind schwer vorstellbar sein. Gut vorbereitet kann für diese Familien das Konzept der palliativen Geburt den individuell richtigen Weg darstellen.
Wissenschaftlich fehlt noch eine größere Datenlage, aber aus Gesprächen mit betroffenen Familien wird deutlich, dass eine abwartende Haltung im Schwangerschaftsverlauf und eine daraus resultierende palliative Geburt für diese Familien weniger traumatisierend erscheint.
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