Wenn selbsternannte Experten die Probleme einer ihnen fremden Branche zusammenfassen, kann das nach hinten losgehen. Wenn sie dann noch die Lösung für alle Probleme haben, wirds lächerlich. So auch im Fall von Helmut Schröder.
Hintergrund: Der gute Helmut Schröder gibt im Deutschlandfunk ein Interview zum Thema Lieferengpässe in den Apotheken. Immerhin ist er seines Zeichens Diplom-Soziologe (also von Hause aus extrem bewandert, was die Zusammenhänge innerhalb des Arzneimittelmarkts betrifft).
Aber für unsere Lage gibt es ein paar ganz einfache Lösungen. Also merkt gut auf liebe Leser, was Herr Schröder, der stellvertretende Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO), uns offenbart.
Es sind zurzeit nur etwa 300 Meldungen von Arzneimitteln, die nicht lieferfähig sind, gemeldet. „Angesichts von über 60.000 Arzneimitteln ist das eine überschaubar kleine Menge.“ Sprich – wir spielen das Thema gerade nur ein wenig hoch, wir Deppen. Dass es deutlich mehr Arzneimittel sind, weil eben nur die verschreibungspflichtigen Arzneimittel gemeldet werden, die nicht zu bekommen sind, hat er mal eben unter den Tisch fallen lassen, der Herr Schröder. Sind ja nur Peanuts, wenn die verzweifelte Mutter mit dem Einjährigen bei uns in der Tür steht, der eine Lungenentzündung hat und sie keinen Fiebersaft, keine Schmerzzäpfchen bekommt … aber hey, das Kind ist ja auch überschaubar klein! Genau wie die Zahl der nicht lieferfähigen Arzneimittel.
Dass so einige nicht lieferbare Arzneimittel gar nicht gemeldet werden, weil der Hersteller vielleicht noch 5 Packungen in seinem Lager liegen hat, weiß Herr Schröder zudem ganz genau, weil er es an anderer Stelle als Randnotiz anmerkt. Da diese Information aber an dieser Stelle seiner Argumentation entgegenläuft, bringt er sie hier nicht. Das zeigt mir, dass sein ganzer Auftritt im Radio nur der Außenpolitik der AOK dient.
„Die Lage ist nicht dramatisch“, denn man habe ja in der Apotheke die Möglichkeit zu fragen: „Gibt es die nicht auch bei einem anderen Großhandel? Oder vielleicht von einem anderen Hersteller?“ Maaannn! Boah. Hammer! Da wäre ich ja nie drauf gekommen! Wir haben ja verschiedene Großhändler! Und es gibt ja nicht nur einen einzigen Hersteller! Was bin ich aber auch für ein dummes Apothekenmäuschen. Ich lade mir den Herrn Schröder gerne einmal zu uns ein, dann kann er live sehen, wie ich versuche Paracetamol- oder Ibuprofensaft bei drei verschiedenen Großhändlern und allen (!) Herstellern auf dem Markt vergebens zu bestellen. Meine Güte, das klingt in meinen Ohren nach „Wenn das Volk kein Brot hat, dann soll es eben Kuchen essen.“ Großartig!
Die Einführung der Rabattarzneimittel schadet dem deutschen Markt nicht, weil die Rabattpartner einen Vertrag unterschrieben haben, dass sie liefern müssen und ansonsten Strafen zu zahlen sind. Aaah ja, klar. Dass die Konkurrenten platt gemacht werden und es zu einer Konzentration auf nur wenige Hersteller kommt, ist also kein Problem (s. Ibuprofen-Problematik, wenn eine von weltweit noch drei Fabriken abfackelt). Dieses Scheinargument ist dermaßen durchsichtig und ich habe dazu auch schon so viel geschrieben – das ist mir die Tinte (bzw. Tastenanschläge) nicht wert.
Das Zurückholen der innereuropäischen Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln aus China, Indien oder Bangladesch ist unnötig, denn „ganz emotionslos“ betrachtet schildert Herr Schröder, dass es ja auch bei uns mal brennen kann, nicht wahr? Und da hätten wir dann doch die gleichen Probleme, oder? Wir sind da ja „genau dem selben Risiko ausgesetzt“, meint er.
Ganz ehrlich? Spätestens da, am Ende dieser 10 Minuten Volksverdummung, möchte ich brechen. Ich glaube, wir brauchen nicht über GMP und Arbeitssicherheit von deutschen Produktionen im Vergleich zu Fabriken in Bangladesch sprechen.
Auch hier merkt man, dass er seinen eigenen Argumenten nicht glaubt. Dass Märkte, die auf internationalen Lieferketten aufgebaut sind, viele Schwachstellen aufweisen, weil sie resilienter aufgebaut werden müssten, weiß Herr Schröder ebenfalls – denn auch das erwähnt er an anderer Stelle. Nur eben nicht da, wo es seine eigene Argumentation konterkarieren würde. Dieses Interview ist eine an Nonsens nicht zu überbietende Zeitverschwendung gewesen. Besonders für jemanden, der den ganzen Tag in der Apotheke steht, um diesen hausgemachten Unsinn mit auszubaden. Den Puls in ungeahnter Höhe gibt’s dazu frei Haus.
Herr Schröder widerspricht sich in diesen 10 Minuten mehrfach selbst und hält wahlweise uns Apothekenmitarbeiter oder alle Hörer zum Narren. Es ist mir schleierhaft, warum er im Deutschlandfunk auch noch ein Forum bekommen hat, um diesen Schwachsinn loszuwerden. So. Ich gehe jetzt erst mal brechen und danach versuche ich, herauszubekommen, wo Herr Schröder seine Stammapotheke hat. Vielleicht können die ihm ja etwas Gutes empfehlen. Etwa ein einwöchiges Anerkennungspraktikum an der Basis, um beim nächsten Interview zu wissen, wen er da offensichtlich für zu blöd hält, um seinen Job korrekt zu erledigen.
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