Einen hohen Blutdruck zu senken, erfordert oft eine Lebensumstellung und Disziplin. Vielen fällt genau das schwer – ein neues Achtsamkeitsprogramm soll helfen.
Ein dauerhaft zu hoher Blutdruck schadet den Gefäßen und erhöht so unter anderem das Risiko für einen Myokardinfarkt und einen Schlaganfall. Eine arterielle Hypertonie kann durch Medikamente behandelt werden, teilweise genügen aber schon Änderungen des Lebensstils wie gesünderes Essen, Gewichtsreduktion und regelmäßige Bewegung. Da eine Änderung der Lebensgewohnheiten für viele Menschen eine große Herausforderung ist, werden neue Ansätze gesucht, die den Blutdruck günstig beeinflussen.
Ein speziell auf Bluthochdruckpatienten zugeschnittenes Achtsamkeitsprogramm hat nun in einer randomisierten Studie Wirkung gezeigt. Über die Ergebnisse berichtete Studienautor Professor Eric Loucks beim diesjährigen AHA-Kongress Anfang November in Chicago. Loucks und sein Team entwickelten ein Achtsamkeitstrainingsprogramm, welches spezifisch auf Patienten mit einer arteriellen Hypertonie zugeschnitten war.
Achtsamkeit („mindfulness“) verfolgt prinzipiell zwei Ziele: zum einen die Bewusstseinsklarheit über Gedanken, Emotionen und körperlicher Empfindungen erlangen. Zum anderen die Qualität von Achtsamkeit, mit dem Ziel, eine nicht wertende Haltung einzunehmen, Bewusstseinsinhalte zu akzeptieren und ihnen wohlwollend gegenüberzustehen. Diese Prinzipien bildeten auch die Basis des von Professor Eric Loucks entwickelten achtsamkeitsbasierten Bluthochdruck-Programms.
Die Studienteilnehmer sollten über Achtsamkeitsübungen, wie z. B. Meditation und Atemübungen, Selbsterkenntnis, Aufmerksamkeitskontrolle und Kontrolle über ihre Emotionen erlangen. Das Besondere an dem Programm war, laut Loucks, dass das Bewusstsein der Teilnehmer dabei auf Aspekte gelenkt wurde, die den Blutdruck beeinflussen können – wie körperliche Aktivität, Alkoholkonsum, Ernährung, Reaktion auf Stress und Einnahme von Medikamenten. Ein Ziel sei es beispielsweise gewesen, dass die Patienten positive Gefühle und körperlichen Reaktionen z. B. nach einer Sporteinheit spürten und sich des positiven Effektes bewusst wurden.
Im Rahmen der MB-BP-Studie wurde die Effektivität des Programmes getestet. 201 Patienten mit einem erhöhten, unbeaufsichtigten Praxisblutdruck (≥ 120/80 mmHg) aus einer hohen Bildungsschicht wurden randomisiert. Sie wurden entweder dem speziellen Achtsamkeitsprogramm oder einer Kontrollgruppe mit üblicher Betreuung zugeteilt. Die Interventionsdauer betrug 8 Wochen. An 2,5 Stunden pro Woche absolvierten die Teilnehmer Achtsamkeitsübungen.
Zu Beginn der Studie lag der systolische Blutdruck der Teilnehmer bei 138 mmHg. Nach dem 6-monatigen Follow-up war der systolische Blutdruck in der Interventionsgruppe im Mittel um 5,9 mmHg gesunken. In der Kontrollgruppe reduzierte sich der Blutdruck um im Mittel 1,4 mmHg. Dadurch ergab sich ein signifikanter Unterschied von 4,5 mmHg zwischen den Gruppen.
Was konkret zur Blutdruckreduktion in der Achtsamkeitsgruppe beigetragen haben könnte, versuchte Loucks auf dem Kongress zu erklären. Eine Erklärung könnte sein, dass die Teilnehmer mit Achtsamkeitstraining deutlich weniger Zeit im Sitzen verbrachten als die Probanden der Kontrollgruppe. Im Trend befolgte die Achtsamkeitsgruppe auch eher die Prinzipien der DASH-Diät und bewegte sich häufiger in der Woche als die Kontrollgruppe.
Wichtige Limitationen der Studie sind die kurze Interventionsdauer. Zu klären gilt es deshalb, ob die Intervention auch über eine längere Zeit aufrechterhalten werden kann. Außerdem ist fraglich, ob die Ergebnisse auf andere Patientenpopulationen übertragbar sind, da es sich in der Studie um ein spezielles Patientenkollektiv handelte. Es sind größere Studien notwendig, um diese Fragen zu klären.
Schaut man in die Vergangenheit, konnten auch Daten aus dem Jahr 2019 den Effekt von Achtsamkeitstraining auf den Blutdruck zeigen. Für diese Studie entwickelte ein Forscherteam der Brown University in Rhode Island ebenfalls ein spezielles, auf Achtsamkeit basierendes Programm zur Blutdrucksenkung. Dieses wurde von 43 Teilnehmern mit bestehender arterieller Hypertonie neun Wochen lang absolviert. Bei der Hälfte war eine Hypertonie im Stadium 2 diagnostiziert worden, mit systolischen Werten von über 140 mmHg.
In der Studie wurden Techniken eingesetzt, um die Aufmerksamkeit zu kontrollieren, die Regulation der Gefühle zu optimieren sowie das Bewusstsein für gesunde und ungesunde Verhaltensweisen zu sensibilisieren. Dieses Training verbesserte die Selbstregulation und verringerte die Blutdruckwerte. Hinsichtlich Salz-, Alkoholkonsum und körperliche Aktivität näherten sich die Werte den offiziellen Empfehlungen an. Auch ein Jahr später waren die positiven Effekte noch vorhanden. Sie waren bei Teilnehmern mit einem unkontrollierten Bluthochdruck am stärksten ausgeprägt. Bei ihnen sank der Blutdruck durchschnittlich um 15,1 mmHg.
Ob die Blutdruckziele erreicht wurden, hing dabei sehr stark davon ab, ob die Teilnehmer nach dem Ende der neun Wochen weiterhin ihre täglichen Achtsamkeitsübungen durchführten. Kritisch zu betrachten ist, dass schwierig zu unterscheiden war, welchen Anteil die Achtsamkeitsübungen an der Blutdrucksenkung hatten und wie stark sich die Änderungen des Lebensstils ausgewirkt haben. Nichtdestotrotz scheint ein Achtsamkeitstraining eine Blutdrucksenkung nicht negativ, sondern ganz im Gegenteil sogar positiv zu beeinflussen. Zu diesem Ergebnis kam ebenfalls eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2020, welche 12 Studien zu dem Thema untersuchte. Achtsamkeit kann somit eine unterstützende Möglichkeit sein, Menschen mit Bluthochdruck zu behandeln. Die Ergebnisse weiterer Studien bleiben abzuwarten.
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