Nahrungsergänzungsmittel in der Therapie von Atemwegsinfekten? Das ist nach wie vor umstritten. Für Zink scheint sich das Blatt jetzt zu wenden – zumindest, wenn es um Corona geht.
Vitamine hatten es zuletzt nicht leicht als supportive Therapien bei Atemwegsinfektionen. Mehr Rückenwind genießt im Moment das Spurenelement Zink, das unter anderem für den Energiestoffwechsel und für das Immunsystem unentbehrlich ist. Kein Wunder, dass es schon seit einiger Zeit als ein mögliches, supportives Agens bei der Covid-Erkrankung ins Spiel gebracht wird.
Bis dato war die Datenlage dazu nicht besonders umfangreich. Eine vor einem Dreivierteljahr vorgelegte Metaanalyse hatte überhaupt nur fünf auswertbare Studien gefunden, davon zwei retrospektive Beobachtungsstudien und drei randomisierte Studien, wobei letztere offen durchgeführt und überschaubar groß waren. Am größten war noch eine ägyptische, randomisierte Multicenterstudie mit 191 stationären Covid-Patienten, knapp zwei Drittel moderat erkrankt und knapp ein Drittel schwer. Von diesen Patienten erhielt die Hälfte 2 x 220 mg Zinksulfat (entspricht 50 mg elementarem Zink) pro Tag, die andere Hälfte nicht. Die Studie war insofern problematisch, als sie sehr früh in der Pandemie stattfand und in beiden Gruppen Hydroxychloroquin zum Einsatz kam, bekanntlich keine gute Idee bei COVID-19. Signifikante Unterschiede bei den Genesungsraten und beim Anteil der Patienten mit mechanischer Beatmung gab es in dieser Studie nicht.
Entsprechend der Datenlage wird Zink derzeit nirgends für die Covid-Therapie empfohlen. Exemplarisch hier die am 26. September 2022 aktualisierten Empfehlungen der US-amerikanischen NIH, die auf Zink explizit eingehen: „Nicht ausreichende Evidenz“, heißt es dort, und: „Das Panel rät von einer Zink-Supplementierung über die empfohlenen diätetischen Mengen von 11 mg pro Tag für Männer und 8 mg pro Tag für nicht schwangere Frauen ab.“
Eine Studie aus Tunesien liefert jetzt neue Daten zum Thema Zink bei Covid, und sie ist aus mehreren Gründen besser als das, was es bisher an Daten gibt. Zum einen ist die Studie mit immerhin 470 Patienten zwar nicht riesig, aber größer als alle bisherigen randomisierten Studien zusammen. Zum zweiten ist sie nicht nur randomisiert und multizentrisch, sondern auch noch verblindet: Wer kein Zink bekam, der bekam Placebo-Kapseln, die identisch aussahen. Und dann ist die Studie auch halbwegs aktuell: Sie fand zwischen Februar und Mai 2022 statt, sprich zu Omikron-Zeiten und in einer Population, die teilweise oder überwiegend geimpft war.
Von den 470 Covid-Patienten in der Studie wurden 190 ambulant und 280 stationär versorgt. Behandelt wurde mit einem Zinkpräparat, das 25 mg elementarem Zink entsprach, und das zweimal am Tag über 15 Tage. Über das Zink hinaus waren alle Therapien erlaubt, und die Versorgung erfolgt gemäß den zu diesem Zeitpunkt in Tunesien gültigen Covid-Leitlinien. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 54 Jahre. Primärer Endpunkt der Studie war ein Komposit aus Tod durch COVID-19 oder Einweisung auf Intensivstation innerhalb von maximal 30 Tagen ab Randomisierung.
Insgesamt handelte es sich um eine relativ kranke Population: Nur jeweils knapp 6 % hatten leichtes Covid, der Rest hatte eine moderate bis beginnend schwere Erkrankung. Entsprechend war die 30-Tage-Sterblichkeit relativ hoch, sie betrug in der Zink-Gruppe 6,5 % und in der Placebo 9,2 %. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant. Klar signifikant zugunsten von Zink war dagegen der Unterschied bei den Einweisungen auf Intensivstation mit 5,2 % versus 11,3 % (OR 0,43; 95 % CI 0,21-0,87). Beides zusammen machte auch den primären Endpunkt signifikant, mit 10,4 % (Zink) versus 16,7 % (Placebo) (OR 0,58; 95 % CI 0,33-0,99), eine Number-needed-to-treat von 16.
Die Studie war nicht riesig, aber einige Subgruppen waren dennoch präspezifiziert worden. Hinweise auf einen Nutzen von Zink hinsichtlich des primären Endpunkts gab es für hospitalisierte Patienten, für Menschen ab 65 Jahren, für Menschen mit Begleiterkrankungen und für solche, die schon zu Studienbeginn Sauerstoff benötigten. Die ambulanten Patienten profitierten hinsichtlich den als sekundären Endpunkt separat analysierten Krankenhauseinweisungen, aber auch hier war der Anteil in der Zink-Gruppe mit 1,2 % numerisch geringer als in der Placebo-Gruppe mit 3,8 %. Einen numerischen Unterschied gab es bei den ambulanten Patienten auch bei der durchschnittlichen Symptomdauer mit 9,6 +/- 4,1 Tage versus 12,8 +/- 6,7 Tage. Was die Studie nicht gemacht hat: Es wurden keine Zink-Serumspiegel gemessen. Ob jene, die niedrige Zink-Spiegel hatten, besonders profitierten, bleibt deswegen offen.
Bleibt natürlich die Frage, was man jetzt aus diesen Ergebnissen macht. Am Ende ist auch diese Studie nicht groß genug, aber sie ist gut gemacht und besser als alles, was es bisher gab. Prof. Daniel Kaul von der Inneren Klinik der Universität Michigan in Ann Arbor formuliert es in einem salomonischen Kommentar für NEJM Journal Watch so: „Ich würde Zink für hospitalisierte Patienten mit COVID-19 noch nicht empfehlen. Aber für Patienten oder Ärzte, die Zink als Ergänzung zu den anderen empfohlenen Therapien einsetzen wollen, gibt es wahrscheinlich wenig Nachteil – und jetzt auch etwas wissenschaftliche Evidenz.“
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