Blähungen, Verstopfungen und Durchfall – beim Reizdarmsyndrom helfen selbst Medikamente oft nicht. Kann die FODMAP-Diät den Therapieerfolg bringen?
Über 1 Millionen Menschen erhielten 2017 in Deutschland die Diagnose Reizdarmsyndrom, das geht aus dem BARMER-Arztreport hervor. Experten gehen sogar von weitaus mehr Betroffenen aus, da viele aus Scham den Gang zum Arzt meiden. Insbesondere junge Menschen in ihren Zwanzigern sind betroffen: Die Anzahl der Betroffenen im Alter von 23 bis 27 sind im Zeitraum von 2005 bis 2017 um 70 % gestiegen. Die Behandlungsmöglichkeiten dieser Patienten sehen aktuell allerdings recht mau aus. „Menschen mit Reizdarmsyndrom leiden nicht an einer rein körperlichen Erkrankung“, erklärt der BARMER-Vorstandsvorsitzende Prof. Christoph Straub. „Das muss bei Diagnostik und Therapie stärker berücksichtigt werden.“ Ein multidisziplinärer Behandlungsansatz sei nötig, da der Darm nicht das alleinige Problem sei.
Etwa 100.000 Personen hätten opioidhaltige Schmerzmittel bekommen, bei denen auch eine Abhängigkeit drohe. Mittlerweile gibt es auch weitere Behandlungsoptionen, allerdings mit limitiertem Therapieerfolg. In Europa gehören unter anderem muskulotrope Spasmolytika wie Otiloniumbromid (OB) zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten gegen Reizdarmsyndrom und werden standardmäßig eingesetzt.
In den letzten Jahren wurde aber eine alternative Option in den Vordergrund gerückt: die FODMAP-Diät (engl.: fermantable oligo-, di-, monosaccharides and polyols diet). Bei dieser Ernährung werden Lebensmittel weggelassen, die aus einem hohen Anteil von verschiedenen Zuckern und Polyolen (FODMAP) bestehen und im Darm von Bakterien fermentiert werden. Denn durch die Fermentation der FODMAP im Darm entstehen Stoffwechselprodukte, unter anderem Gase, die bei empfindlichen Personen Beschwerden wie Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall verursachen. Meist werden im Rahmen dieser Ernährungsintervention FODMAP-reiche Nahrungsmittel für 6–8 Wochen komplett vom Speiseplan gestrichen, bis einzelne Lebensmittel bzw. FODMAPs wieder auf ihre Verträglichkeit getestet werden. Zu FODMAP-reichen Lebensmitteln gehören etwa Artischocken, Aprikosen, Weizen, Sahne und zuckerhaltige Lebensmittel wie Vollmilchschokolade. Langfristig sollen Betroffene damit eine passende, individuelle Ernährung finden.
Über den klinischen Erfolg ist allerdings bisher nicht allzu viel bekannt. Ein belgisches Forscherteam verglich daher nun die FODMAP-Diät mit der bereits etablierten OB-Therapie bei Patienten mit Reizdarmsyndrom.
Knapp 460 Patienten mit Reizdarmsyndrom wurden 1:1 randomisiert, um entweder 60 Tage lang dreimal täglich 40 mg OB einzunehmen oder eine FODMAD-Diät durchzuführen. Die Diät-Intervention erfolgte dabei über klare Anweisungen mittels Smartphone oder Tablet. Es handelte sich bei der Ernährungsumstellung nicht um einen strikten Verzicht von FODMAP, sondern um eine verringerte Aufnahme in Kombination mit der NICE-Ernährungsempfehlung für Patienten mit Reizdarmsyndrom.
In der Diät-Gruppe sprachen signifikant mehr Teilnehmer nach 8 Wochen auf die Intervention an (71 %; 95 % KI: 65–77) als in der OB-Gruppe (61 %; 95 % KI: 54–68). Die signifikant höhere Ansprechrate der Ernährungsintervention machte sich bereits 4 Wochen nach Beginn bemerkbar: In der Diät-Gruppe waren es 62 % (95 % KI: 55–68) gegenüber 51 % (95 % KI: 44–57) in der OB-Gruppe.
Insgesamt war die Diät erfolgreicher als die Einnahme von OB: „Eine Mehrheit der Patienten verbesserte sich in beiden Gruppen, aber die FODMAP-senkende diätetische Intervention war etwas wirksamer als Medikamente“, schreibt Dr. Allan S. Brett, Mediziner und Chefredakteur des NEJM Journal Watch, in einem Kommentar über die Ergebnisse der Studie. „Da so viele Lebensmittel bei dieser Diät potenziell ausgeschlossen sind, ist eine professionelle Beratung für Patienten mit Zugang zu einem Ernährungsberater sinnvoll.“ Er weist außerdem darauf hin, dass Empfehlungen zur FODMAP-Senkung recht leicht über das Internet zugänglich sind und viele seiner Patienten mit Reizdarmsyndrom diese bereits erfolgreich genutzt haben.
„Der Einsatz einer einfachen Diätanwendung sollte als First-Line Ansatz zur Behandlung von Reizdarmsyndrom in der Primärversorgung betrachtet werden“, so das Fazit der Autoren.
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