Neurologen schlagen Alarm, sobald sie ein zerebrales Aneurysma entdecken. Doch sollte auch wirklich immer sofort behandelt werden? Eine Studie zeigt nun, dass Patienten gerade bei kleineren Aneurysmen nicht von einer Therapie profitieren.
Meist handelt es sich bei zerebralen Aneurysmen um Zufallsbefunde der Bildgebung. Viele dieser Gefäßwand-Ausstülpungen sind nur drei bis vier Millimeter im Durchmesser. Unter sieben Millimetern ist die Wahrscheinlichkeit für eine Ruptur gering, aber dennoch vorhanden. So heißt es in der Leitlinie „Unrupturierte intrakranielle Aneurysmen“. Neurologen geben abhängig von der Lage und der Vorgeschichte 0 bis maximal 3,4 Prozent als Fünf-Jahres-Wahrscheinlichkeit an. Auch das Coiling, also die Platzierung eines Metallgitters im Aneurysma, geht mit Gefahren einher. Statistisch gesehen kommt es bei sieben Prozent aller Eingriffe zur Ruptur und bei vier Prozent zu Thromboembolien. Ajay Malhotra von der Yale School of Medicine, New Haven, hat deshalb untersucht, ob Patienten ohne Risikofaktoren überhaupt vom Eingriff profitieren.
Über Literaturrecherchen sammelte Malhotra Daten von 10.000 Patienten mit einem zerebralen Aneurysma. Das mittlere Alter seiner Kohorte lag bei 50 Jahren. Alle Personen waren unterschiedlich versorgt worden. Im nächsten Schritt verglich der Wissenschaftler die Ergebnisse anhand von Effektivitätsanalysen. Als Maß für den Erfolg wählte er das qualitätskorrigierte Lebensjahr (quality-adjusted life year oder QALY). Ein QALY von 1,0 bedeutet ein Jahr in voller Gesundheit, während ein QALY von 0 einem Versterben entspricht. Dabei zeigten sich signifikante Unterschiede bei einer Gruppe mit statistischem Rupturrisiko unter 1,7 Prozent pro Jahr:
Bei Patienten mit geringem Risiko gingen durch Eingriffe rein rechnerisch 1,5 QALY verloren.
In einem begleitenden Kommentar geht S. Claiborne Johnston von der University of Texas in Austin der Frage nach, was Malhotras Arbeit für Neurologen bedeutet. Kohortenstudien haben immer ihre Schwäche. Sie zeigen Assoziationen, aber keinen Kausalitäten. Der Experte empfiehlt: „Die beste Behandlung für Aneurysmen mit drei oder weniger Millimetern im Durchmesser ist, sie zu ignorieren.“ Er kritisiert, viele Neurologen hätten gelernt, derartige Anomalien als „tickende Zeitbomben“ zu bewerten und „in jedem Fall zu intervenieren“. Es gebe jedoch Ausnahmen vom vermeintlichen Dogma: „Kleine, nicht rupturierte Aneurysmen wachsen fast nicht und reißen praktisch nie.“