Biochemiker und Molekularbiologen haben Amyloid-Oligomere auf ihre biochemischen und physikalischen Eigenschaften untersucht und sind auf biophysiologisch relevante Fähigkeiten gestoßen. So könnte ein Nanopartikel-Einsatz möglich sein, um Wirkstoffe gezielt abzugeben.
Die Biochemiker und Molekularbiologen aus Ulm und Jena fanden mit höchstauflösenden spektroskopischen Verfahren Erstaunliches zur molekularen Form und Struktur der Amyloid-Oligomeren. „Im Vergleich zu den faserartigen Amyloid-Fibrillen sind Amyloid-Oligomere mit einer Größe zwischen 15 und 30 Nanometern kleiner und viel kompakter, und können besser in ein Gewebe eindringen. Die Proteinkomplexe haben zudem eine rundliche Form und sind aufgrund ihrer quasi-kristallinen Struktur im Kern dicht gepackt“, erläutert Dr. Matthias Görlach, Leiter der Biomolekularen NMR-Spektroskopie am Leibniz-Institut für Altersforschung –Fritz-Lipmann-Institut Jena (FLI). „An der Oberfläche hingegen geht es dynamischer zu. So konnten wir mehrfach beobachten, dass die Proteinkomplexe Untereinheiten ausgetauscht haben“, ergänzt Erstautor Senthil T. Kumar. Der Doktorand weiter: „Als biologische Nanopartikel könnten diese damit beispielsweise eingesetzt werden, um pharmakologische Wirkstoffe kontrolliert und gezielt abzugeben.“ Den Wissenschaftlern gelang zudem der Nachweis, dass sich mit diesen Oligomeren bestimmte Zellpopulationen gezielt ansteuern lassen. Hierfür wurden Nanopartikel aus magnetisiertem Eisenoxid mit Amyloid-Oligomeren dekoriert, die von Makrophagen besonders stark aufgenommen werden. „Man könnte diese besonderen Proteinkomplexe in der medizinischen Bildgebung einsetzen, um krankheitsbedingte Ansammlungen von Makrophagen sichtbar zu machen, wie sie beispielsweise bei atherosklerotischen Plaques in den Blutgefäßen vorkommen“, erklärt Professor Thomas Simmet, Leiter des Instituts für Naturheilkunde und Klinische Pharmakologie an der Universität Ulm. Elektronenmikroskopische Aufnahme von Amyloid-Oligomeren. Der Skalenbalken links unten misst 250 nm © Aufnahme: D. Markx, M. Fändrich Außerdem gibt es vielversprechende biotechnologische Aspekte: Nanopartikel wie diese Amyloid-Oligomere können leicht und in beliebigen Mengen im Labor hergestellt werden, und es ist möglich, sie chemisch gezielt zu modifizieren, um sie pharmakologisch zu funktionalisieren. Und was mögliche Risiken und Gesundheitsgefahren angeht, glauben sich die Wissenschaftler nach bisherigen Erkenntnissen auf der sicheren Seite. Anders als herkömmliche Nanopartikel sind Amyloid-Oligomere potentiell bio-kompatibel, da sie mithilfe natürlicher Enzyme abgebaut werden können. „Diese Proteinkomplexe sind nicht automatisch toxisch, weil sie wie bei Alzheimer an bestimmten Fehlbildungsprozessen bei der Proteinfaltung beteiligt sind. Es sind ganz bestimmte Amyloid-Oligomere, die für den Organismus gefährlich sind. Und selbstverständlich sollte man diese nicht für biologische Anwendungen einsetzen“, so der Ulmer Alzheimer-Forscher und Amyloid-Experte Marcus Fändrich, Leiter des Instituts für Biotechnologie an der Universität Ulm. Als biologische Nanopartikel könnten Amyloid-Oligomere also dem Menschen durchaus von Nutzen sein – ob als medizinische Wirkstofftransporter oder als Biomarker. Sie sind auf jeden Fall mehr als nur Krankheitserreger. Originalpublikation: Structure and Biomedical Applications of Amyloid Oligomer Nanoparticles Senthil T. Kumar et al.; ACS NANO, doi: 10.1021/nn503960h; 2014