Keine Frage – immer mehr Medikamente sind in deutschen Apotheken aktuell nicht oder nur schwer zu bekommen. Doch wer ist schuld an der Knappheit? Und wie das Bunkern verhindern?
Jeder erinnert sich an die grotesk anmutenden Zustände im ersten Corona-Winter, als die Deutschen Klopapier in Massen horteten – aus Angst und in vermeintlicher Gewissheit, dass man sich dank Ausgangssperren nicht mehr sauber halten könne. Ein Jahr später geriet Speiseöl in den Fokus der Hobby-Prepper. Sind im Winter 2022 nun Medikamente der neue Hamster-Hit?
Dafür spricht:
Dagegen spricht:
Um die Lösung oder zumindest einen Weg der Besserung zu bieten, ist die Politik in regem Austausch mit der Pharmaindustrie. Sind es neben den gesetzlichen Änderungen doch vor allem wirtschaftliche Anreizsysteme, derer es bedarf, um den ansässigen Unternehmen die Herstellung ihrer Arzneien in Deutschland schmackhaft zu machen.
Dass auch das nicht neu ist, zeigt ein Blick auf den Koalitionsvertrag der Ampelregierung, in dem bereits entsprechende Pläne enthalten sind. Darin heißt es: „Wir ergreifen Maßnahmen, um die Herstellung von Arzneimitteln inklusive der Wirk- und Hilfsstoffproduktion nach Deutschland oder in die EU zurück zu verlagern. Dazu gehören der Abbau von Bürokratie, die Prüfung von Investitionsbezuschussungen für Produktionsstätten, sowie die Prüfung von Zuschüssen zur Gewährung der Versorgungssicherheit.“
Wie man Engpässe kurzfristig beheben kann, zeigte zuletzt das Beispiel des Krebsmedikaments Tamoxifen, das Anfang des Jahres nicht mehr zu bekommen war und dessen Bestand durch Sonderproduktionen und Importe aus der Schweiz und England gewährleistet wurde. Doch bei solchen Notreaktionen soll es natürlich nicht bleiben. Plan des Ministeriums ist nun, das Vergaberecht grundlegend zu ändern. Dadurch soll es laut Lauterbach den Kassen möglich sein, Medikamente und Wirkstoffe nicht mehr dort einkaufen zu müsse, wo es am billigsten ist, sprich: in Fernost. Auch teurere äquivalente Ersatzstoffe könnten dann in den Fokus rücken.
Für die ärztliche Seite bedeutet das Gesetz indes einen eindeutigen Mehraufwand. So müsse bei bzw. vor der Rezeptvergabe geprüft werden, ob das entsprechende Medikament vom BfArM gelistet ist und – wenn ja – müssen die nun „neu“ hinzugekommenen Alternativen geprüft werden sowie in Absprache mit den Apotheken Verfügbarkeiten abgefragt werden.
Zudem mutet auch dieser Weg eher wie eine Behelfslösung an, sind die bekannten Arzneien doch auch bei Patienten die bevorzugten. Gleichzeitig ist die Produktion von Generika für die Industrie hierzulande immer unrentabler – on top kommt, dass die Industrie aus Kostengründen nur nach Bedarf produziert und wenig bis keine Bevorratung bereithält. In Situationen wie jetzt, mit sprunghaft ansteigenden Infektionszahlen, ein Vabanque-Spiel.
Ob mit dem entsprechenden Gesetz die problematische Lage behoben wird – und wenn ja, ab wann dies auf dem Markt bzw. in den Apotheken spürbar ist – lässt sich nur bedingt sagen, geschweige denn terminieren. Bis dahin ist es an Ärzten und Apothekern, das Problem an vorderster Front zu lösen und Beruhigungsarbeit zu leisten.
Heißt konkret? In erster Linie fallen der ärztlichen Seite zwei Aufgaben im Diskurs zu. Zum einen sollte man einen Blick darauf haben, dass Medikamente tatsächlich schwer zu bekommen sind und welche das im Einzelnen betrifft. Diese dann nach Möglichkeit nur verschreiben, wenn absehbar ist, dass ein Alternativ-Arzneimittel verfügbar ist. Stichwort: BfArM-Liste im Auge behalten.
Zum anderen bedarf es einer unaufgeregten Aufklärungsarbeit beim Patienten, um eben eine hysterische Spirale nicht in Gang zu setzen oder zu befeuern. Niemand braucht eine Hamsterkauf-Panik, die die Situation nur zusätzlich erschwert – als Ärzte habt ihr in diesem Metier vor allen anderen die Macht der moralischen, fachlichen und auch vertraulichen Instanz, um vorzubeugen.
Aber ja, gleichzeitig muss weiterhin und dauerhaft auf die – vor allem finanzielle – Situation im Gesundheitswesen hingewiesen und nach sinnvollen Lösungen gesucht werden. Ist doch die Sparpolitik in Form des GKV-Finanzstabilisierungsgesetz keinesfalls ein Entlastungsinstrument für die Branche.
Bildquelle: Kev Bation, Unsplash