Um geistig weiterhin fit zu bleiben, können Lebensstil-Interventionen helfen – bei Frauen mehr als bei Männern. Woran liegt’s?
Die Zahl der an Demenz Erkrankten nimmt rasch zu – aktuell sind in Deutschland etwa 1,7 Millionen Menschen betroffen. Experten gehen auf Basis der amtlichen Bevölkerungsstatistiken von einem Anstieg auf über zwei Millionen bis zum Jahr 2030 aus. Bisher wurde jedoch wenig zur Wirksamkeit geschlechtsspezifischer Maßnahmen zur Prävention des kognitiven Abbaus geforscht. Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig haben deshalb 34 weltweite Studien unter diesem Aspekt ausgewertet. Das Ergebnis wurde in der Fachzeitschrift The Journal of Prevention of Alzheimer’s Disease veröffentlicht.
Demenzen wie die Alzheimer-Erkrankung sind bisher nicht heilbar. Gut zwei Drittel aller Fälle treten bei Frauen auf, was zum Teil an der höheren Lebenserwartung gegenüber Männern liegt. „Aber es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Lebensstil-Interventionen im Alter die geistige Leistungsfähigkeit verbessern können“, sagt Studienleiterin Prof. Steffi Riedel-Heller. Sie ergänzt: „Bisher wissen wir allerdings wenig darüber, ob Männer und Frauen im gleichen Maße profitieren.“
Unter Lebensstil-Interventionen werden nicht-medikamentöse Veränderungen verstanden, etwa eine Steigerung der körperlichen, geistigen oder sozialen Aktivität oder eine Verbesserung der Ernährung. Eine aktuelle Studie des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig hat nun die Effektivität derartiger Lebensstil-Interventionen für die geistige Leistungsfähigkeit von älteren Männern und Frauen untersucht.
Insgesamt wurden 34 internationale randomisiert-kontrollierte Studien, die entsprechende Lebensstil-Interventionen bei Personen ab 60 Jahren testeten, systematisch zusammengefasst und bewertet. Anschließend ermittelten die Wissenschaftler die quantitativen Effekte von Lebensstil-Interventionen auf verschiedene kognitive Funktionen. Die Studien wiesen ältere Männer und Frauen jeweils nach dem Zufallsprinzip einer Interventionsgruppe zu, das heißt der Teilnahme an einer Lebensstil-Intervention oder einer Kontrollgruppe, und verglichen die geistige Leistungsfähigkeit beider Gruppen zu Studienende.
Dabei fiel auf, dass Frauen in sämtlichen untersuchten geistigen Funktionen, wie etwa Gedächtnis oder Sprache, stärker profitierten als Männer. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Lebensstil-Interventionen das Potenzial haben, die geistige Leistungsfähigkeit von älteren Personen zu erhalten oder zu verbessern“, erklärt Dr. Andrea Zülke, Wissenschaftlerin am ISAP. Allerdings untersuchen bisherige Studien häufiger Frauen als Männer oder gemischtgeschlechtliche Stichproben und konzentrieren sich dabei vor allem auf Personen mit intakter geistiger Leistungsfähigkeit. Bislang ist wenig über die Effektivität von Lebensstil-Interventionen bei älteren Personen mit leichten kognitiven Einschränkungen bekannt.
Die Geschlechterunterschiede, die in der aktuellen Studie ermittelt wurden, könnten auf unterschiedliche Risikoprofile von Männern und Frauen zurückgehen. So sind Männer im Alter körperlich aktiver als Frauen und haben, insbesondere in früheren Alterskohorten, häufig einen höheren Bildungsgrad als Frauen, was einen Schutzfaktor für Demenzen darstellt. „Damit wäre für Frauen, die älter als 60 Jahre sind, mehr Raum für Verbesserung durch eine Veränderung des Lebensstils, was erklären könnte, warum sie stärker profitieren als Männer“, sagt Zülke.
Bisher existieren mehr Studien mit älteren Frauen als mit Männern und nur wenige größere Forschungsprojekte berichten geschlechterspezifische Ergebnisse. „Wir brauchen mehr umfangreiche Studien, die beide Geschlechter einschließen, um mögliche Unterschiede besser zu verstehen sowie die Bedürfnisse von älteren Männern und Frauen zu berücksichtigen“, betont Riedel-Heller.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Leipzig. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
Bildquelle: Dainis Graveris, unsplash