Wie eine gesunde Leberzelle zur Tumorzelle wird – das hat ein Forscherteam nun herausgefunden. Lest hier, wie reife Leberzellen durch umfangreiche Veränderungen im Stoffwechsel auf Abwege geraten.
Leberzellkrebs ist zwar selten, aufgrund schlechter Prognosen aber eine der tödlichsten Krebsarten – die Ursachen sind vielfältig. Neben Stoffwechselstörungen sind es in den westlichen Industrieländern vor allem Infektionen mit dem Hepatitis C-Virus sowie ein hoher Alkoholkonsum. Wie alle Tumorzellen wachsen auch Leberkrebszellen rasant und unkontrolliert. Dabei stellen sie ihren gesamten Stoffwechsel grundlegend um. Forscher der Universität Basel haben nun in einer Studie festgestellt, dass die Krebszellen die Produktion eines zentralen Stoffwechselmoleküls stark drosseln. Auf diese Weise wird der Stoffwechsel neu verschaltet und Tumorzellen können schneller wachsen.
Die Leber ist das größte Stoffwechselorgan unseres Körpers. Sie verarbeitet und speichert Nährstoffe und baut Schadstoffe ab. Wenn sich eine gesunde Leberzelle in eine Krebszelle verwandelt, verliert sie ihre Funktion. „Tumorzellen sind egoistisch. Sie verändern ihren Stoffwechsel so, dass sie möglichst rasch wachsen“, erklärt der Krebsforscher Dr. Dirk Mossmann. „Gleichzeitig vernachlässigen sie alle ihre Aufgaben als Leberzelle. Deshalb ist bei Krebspatienten die Leberfunktion beeinträchtigt.“
Im Zellstoffwechsel spielt das Molekül Acetyl-CoA eine zentrale Rolle. Es ist Endprodukt vieler Abbauwege und wird gleichzeitig dafür gebraucht, zahlreiche andere Moleküle herzustellen oder sie chemisch zu verändern. „Wir haben herausgefunden, dass in Leberkrebszellen alle möglichen Stoffwechselwege, bei denen Acetyl-CoA entsteht, heruntergefahren sind“, erklärt Dr. Sujin Park, Erstautorin der Studie. „Dies wirkt sich auf viele andere Proteine aus wie etwa Stoffwechselenzyme. Die Funktion der Enzyme verändert sich, da sie nicht mehr durch Acetyl-CoA modifiziert werden. Den Tumorzellen kann das helfen, Zucker besser abzubauen und Energie daraus zu gewinnen.“
Ein weiterer Effekt ist, dass Acetyl-CoA die Differenzierung von Zellen beeinflusst. Durch einen niedrigen Acetyl-CoA-Spiegel werden die Leberzellen umprogrammiert und in ein frühes, unreifes Entwicklungsstadium zurückversetzt. Sie verlieren ihre charakteristische Funktion und beginnen, sich schnell zu teilen. „Wir haben uns gefragt, wie es möglich ist, dass in den Tumorzellen sämtliche Acetyl-CoA-Stoffwechselwege lahmgelegt sind“, sagt Mossmann. „Die Antwort lieferten zwei Proteine, sogenannte Transkriptionsfaktoren. Sie steuern das Ablesen eines breiten Spektrums an Genen und stellen so den Stoffwechsel komplett um.“
Diesen Mechanismus konnten die Forscher auch in Lebertumoren von Mäusen sowie Patienten beobachten. „Die beiden Transkriptionsfaktoren sind tatsächlich die zentralen Player. Hemmen wir sie, bilden die Mäuse keine Lebertumore mehr“, so Park. „Die umfangreichen Stoffwechselveränderungen in den Tumorzellen ergeben zudem eine typische Signatur, die sich auch bei anderen Krebsarten wie Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs finden lässt.“
Die typische Stoffwechselsignatur sagt auch etwas über den Verlauf der Erkrankung aus. Sie ist mit einer geringeren Überlebensrate verbunden. Eine spannende Frage ist daher, wann sich diese Krebssignatur herausbildet und ob sie sich als Biomarker für Screenings eignet, um den häufig symptomlosen Leberkrebs in einem frühen, therapierbaren Stadium zu diagnostizieren.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Basel. Hier und im Text findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Itai Aarons, unsplash.