Welche Rolle spielen Autoantikörper und das Epstein-Barr-Virus bei Long Covid? Darüber sprach Top-Immunologin Akiko Iwasaki auf dem ersten deutschen Long-Covid-Kongress.
Auf dem ersten Long-Covid-Kongress in Deutschland traf sich letzte Woche das Who's Who der Covid-Szene, um über den aktuellen Stand der Forschung zu diskutieren. Auch internationale Gäste gaben sich die Ehre, wie etwa die Yale-Immunologin Akiko Iwasaki, die sich seit der Corona-Pandemie intensiv mit der Pathophysiologie von Long Covid auseinandersetzt.
In ihrem Vortrag konzentrierte sich Iwasaki auf die immunologischen Charakteristiken von Long-Covid-Patienten, die womöglich Hinweise auf die Ursache von Long Covid liefern könnten. Zu den beliebtestesten Hypothesen zählen unter anderem eine persistierende SARS-CoV-2-Infektion und das Vorhandensein von Autoantikörpern.
Inzwischen konnte Iwasakis Team einige Gemeinsamkeiten im Immunprofil von Long-Covid-Patienten nachweisen. Auffällig sind etwa die erhöhten Spiegel an „erschöpften“ CD4- und CD8-T-Zellen. Dieser Erschöpfungszustand tritt ein, wenn T-Zellen über einen längeren Zeitraum Antigenen ausgesetzt sind. Bekannt sind sie schon von anderen chronischen Infektionen oder auch Krebserkrankungen. Bei Long Covid deute das Vorhandensein dieser T-Zellen laut Iwasaki darauf hin, dass Antigene diese T-Zellen über eine lange Zeit stimulieren. „Aber welche genau das sind, wissen wir noch nicht“, hält Iwasaki fest. Möglicherweise spielt hier die Viruspersistenz eine Rolle. Darauf deuten die erhöhten Antikörperspiegel gegen verschiedene Epitope des Spike-Proteins bei Long-Covid-Patienten hin, die Iwasakis Team ebenfalls gefunden hat.
Zudem waren die Spiegel an Interleukin-4-sekretierenden T-Zellen erhöht. Dieses Zytokin ist insbesondere bei der immunologischen Abwehr von Parasiten beteiligt und nicht unbedingt bei der Abwehr von Viren. „Das ist interessant, denn die Art der T-Zellen, die man sich für die Virusabwehr wünscht, sind TH1-Zellen – und die sehen wir nicht“.
Auffällig war die Tatsache, wie unauffällig sich die Autoantikörper verteilten: „Wir haben viele verschiedene Autoantikörper während einer akuten, schweren Covid-Infektion gefunden […], deswegen haben wir erwartet, dass wir auch in Long-Covid-Patienten welche finden“, erklärt die Immunologin. „Aber wir haben keine gefunden, die sich besonders von der Kontrollgruppe unterscheiden würden.“ Immerhin wiesen sogar gesunde Personen bestimmte Autoantikörper auf, was aber offenbar zu keinen Problemen führt.
Dass es bei Long-Covid-Patienten wohl kein bestimmtes Muster an Autoantikörpern gibt, zeigt auch die Analyse der Immunzellkonstellation mittels eines speziell entwickelten KI-Algorithmus. Damit ließen sich Long-Covid-Betroffene allein aufgrund der spezifischen Zusammensetzung der Immunzellen und Zytokine mit 96%-iger Genauigkeit von Kontrollpersonen unterscheiden. Autoantikörper trugen dazu aber fast überhaupt nicht bei, sondern vielmehr das Vorhandensein von Anti-Spike-Antikörpern, viralen Epitopen und Zytokinen und deren spezielle Zusammensetzung.
Für Iwasaki bedeutet das, dass Autoantikörper als mögliche Ursache von Long Covid wohl eher unwahrscheinlich sind. Interessant ist diese Beobachtung insbesondere deswegen, weil in der Long-Covid-Therapie auch die Wirksamkeit von Blutwäscheverfahren diskutiert wird, die darauf abzielen, Autoantikörper aus dem Blut zu entfernen. Aber nur, weil man Autoantikörper findet, heißt das noch lange nicht, dass sie auch zur Erkrankung beitragen oder gar ursächlich beteiligt sind.
Andere Antikörper scheinen hingegen sehr wohl mit Long Covid zu korrelieren. So haben Long-Covid-Patienten erhöhte Antikörperspiegel gegen das Epstein-Barr-Virus (EBV) und Varizella-Zoster-Virus. Schon in anderen Studien gab es Hinweise darauf, dass eine EBV-Virämie ein Risikofaktor für Long Covid sein könnte.
Eine weitere Auffälligkeit von Betroffenen: Die Cortisol-Spiegel waren verglichen mit Kontrollpersonen um rund die Hälfte reduziert. Das Hormon ist bekanntermaßen an vielen verschiendenen physiologischen Prozessen beteiligt und könnte einige der Long-Covid-Symptome wie etwa Fatigue erklären. Überraschenderweise war aber das adrenocortikotrope Hormon (ACTH) nicht erhöht, was bei niedrigen Cortisol-Spiegeln zu erwarten wäre. Das deutet laut Iwasaki auf eine gestörte kompensatorische Reaktion der Hypothalamus-Hypophysen-Achse hin.
Aus Iwasakis Forschung lassen sich zweifelsohne viele weitere spannende Fragen ableiten, die es lohnt zu untersuchen. Immerhin wird mittlerweile die Hypothese der Viruspersistenz und der daraus folgenden persistierenden Inflammation als eine der plausibelsten Theorien für die Ursache von Long Covid gehandhabt. „Die Hinweise häufen sich, dass Viruspersistenz eine Rolle bei Long Covid spielt – aber es ist nicht unbedingt die einzige Ursache“, stellt Iwasaki klar. Das müssen weiterführende Studien zeigen.
Bildquelle: alexey turenkov, Unsplash