Das Vogelgrippevirus H7N9 geht vermehrt auf Menschen über – dabei infizieren sich Männer häufiger als Frauen. Ein interdisziplinäres Team ist dem Geschlechterunterschied nun auf den Grund gegangen.
Aviäre Influenzaviren des H7N9-Subtyps zeichnen sich durch ein großes epidemisches und pandemisches Potenzial aus. Im März 2013 haben diese Vogelgrippeviren zum ersten Mal Speziesbarrieren übersprungen und sind von Vögeln auf den Menschen übergegangen. Hierbei waren Männer häufiger betroffen als Frauen. In den folgenden fünf Epidemiewellen war die Inzidenz von H7N9 bei Männern wiederholt höher als bei Frauen.
Um die Mechanismen hinter diesen geschlechtsspezifischen Unterschieden zu entschlüsseln, analysierte ein deutsch-chinesische Team nun in einer Studie Patienten mit einer bestätigten H7N9-Infektion und verglich sie mit H7N9-negativen engen Kontaktpersonen sowie mit Patienten mit einer saisonalen Grippeinfektion. Dabei zeigten die Forscher, dass eine H7N9-Infektion die Hormonachse bei Männern spezifisch angreift, bei Frauen jedoch nicht. Bei Männern führt eine H7N9-Infektion zu einem niedrigen Testosteronspiegel, der mit der Entwicklung einer schweren oder tödlichen Erkrankung einhergeht.
In Mausmodellen bestätigen die Autoren den kausalen Zusammenhang zwischen H7N9-Infektion und Testosteronmangel bei Männern. Sie zeigen außerdem, dass sich das Vogelgrippevirus H7N9 in den Hoden von Mäusen repliziert und eine lokale und systemische Entzündung auslöst, die wahrscheinlich die Testosteronproduktion beeinträchtigt.
Bislang ist nur sehr wenig über die molekularen Mechanismen bekannt, die zu geschlechtsspezifischen Krankheitsverläufen bei Infektionen mit Atemwegsviren führen. Diese Studie könnte als Blaupause für die Untersuchung von Geschlechtsunterschieden bei anderen Atemwegsinfektionen dienen wie SARS-CoV-2.
„Vogelgrippeviren stellen weiterhin ein hohes epidemisches und pandemisches Risiko dar. Die Saison 2021/2022 war die größte Vogelgrippe-Epidemie, die weltweit verzeichnet wurde. Daher ist das Verständnis der molekularen Mechanismen, die den geschlechtsspezifischen Krankheitsverlauf vermitteln, für ein individuelles Patient:innenmanagement von entscheidender Bedeutung“, erklärt Prof. Gülşah Gabriel von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Eine strenge Überwachung und erhöhte Wachsamkeit sei weiterhin notwendig, um eine Ausbreitung des H7N9-Virus auf den Menschen zu verhindern, so die Experten.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Virologie (LIV). Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Ravi Sharma, unsplash