Die Unterschiedlichkeit und das Zusammenspiel von Tumor- und Immunzellen erschwert die Auswahl einer Immuntherapie. Innsbrucker Forscher haben nun einen Einzelzell-Atlas erstellt. Damit wird es möglich, das Ansprechen auf Therapien besser vorherzusagen.
Die Erforschung von Zellen ist eine wichtige Grundlage für die Entwicklung personalisierter Medizin. Für die Erstellung von Tumorprofilen wurden in den letzten Jahren zahlreiche innovative Technologien entwickelt und etabliert. Die Einzelzell-Sequenzierung (Single Cell RNA-Sequencing) ermöglicht es etwa, einzelne Zellen zu sequenzieren und jeweils individuell herauszufinden, welche Gene in der Zelle gerade aktiviert sind. Auf diese Weise lassen sich 10.000 Zellen pro Patient und rund 2.000 Gene pro Zelle analysieren, sodass ein detailliertes Tumorprofil entsteht. Weil für diese Methode stets frische Gewebeproben benötigt werden und das Verfahren teuer ist, gab es bisher nur von wenigen Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) Einzelzellanalysen.
Ein interdisziplinäres Team von Forschern an der Medizinischen Universität Innsbruck ging nun einen Schritt weiter. „Wir haben alle Proben von PatientInnen mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, die weltweit bereits sequenziert worden waren, gesammelt und in einem Atlas aufgelistet“, erklärt Studienautor Zlatko Trajanoski, Direktor des Instituts für Bioinformatik am Innsbrucker Biozentrum. Das Team um Trajanoski zählt zu einer der wenigen Gruppen weltweit, die aus riesigen Datenmengen und bioinformatischen Analysen Informationen für die Krebsimmuntherapie liefern können. Für die nun im Fachjournal Cancer Cell publizierte Forschungsarbeit wurden 1,3 Millionen Zellen von 318 Patienten aus insgesamt 1,7 Milliarden Messungen integriert. Nun liegt ein Einzelzell-Atlas vor, der die Risikoberechnung und die Vorhersagbarkeit des Therapieansprechens verbessert, von Medizinern heruntergeladen und für die Therapieentscheidung genutzt werden kann.
Das Innsbrucker Team interessierte sich zudem für die Frage, ob auch die patientenspezifische, zelluläre Zusammensetzung des Tumors Einfluss auf das Ansprechen der Immuntherapie hat. Im Visier standen dabei neutrophile Granulozyten.
Aufnahme Fluoreszenzmikroskop: Neutrophile Granulozyten (pink), Lungenkrebs Tumore (blau und grün). Credit: Stefan Salcher.
Bei Krebskranken ist eine vermehrte Zirkulation dieser spezifischen Immunzellen mit einer schlechten Prognose verbunden. In den vorhandenen Einzelzellanalysen wurden jedoch kaum Neutrophile nachgewiesen, da diese Zellart beim Einfrieren der Gewebeproben vor der Sequenzierung für gewöhnlich weitgehend zerstört wird. Die an der Innsbrucker Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie von Stefan Salcher etablierte Einzelzellanalyse mit spezifischer Neutrophilenbestimmung konnte hier Abhilfe schaffen. Mit dieser Technologie wurde eine zusätzliche Analyse in Gewebeproben von 17 Lungenkarzinom-Patienten, die am Comprehensive Cancer Center Innsbruck (CCCI) behandelt werden, durchgeführt.
Damit erhärtete sich der Verdacht, dass Neutrophile eine besonders hohe Plastizität besitzen, also ihre Gestalt verändern, wenn sie in das Tumorgewebe eindringen. Dabei konnten zwei Subtypen von Neutrophilen im normalen Gewebe und vier Subtypen im Tumorgewebe identifiziert werden. Einer dieser Subtypen im Tumorgewebe erweist sich überraschenderweise als anti-tumoral und könnte besonders vorteilhaft für das Ansprechen auf die Immuntherapie sein.
„Die präzise Bestimmung der zellulären Komposition des Tumors wird für die Therapieanpassung entscheidend sein“, resümiert Studienautor Andreas Pircher. Das nächste Ziel des Teams ist es, die Funktion neutrophiler Granulozyten im Lungenkrebs besser zu definieren und ihre Rolle in der Therapieresistenz zu beeinflussen. Auch soll der Einzelzell-Atlas auf andere Krebserkrankungen erweitert werden.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Universität Innsbruck. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Andrew Neel, Unsplash