Postoperative Komplikationen sind bei Senioren über 60 Jahren häufig. Das Alter allein ist allerdings nicht ausschlaggebend. Laut einer aktuellen Metastudie stehen Komplikationen vor allem mit Nikotinkonsum und Gebrechlichkeit im Zusammenhang.
Lag die durchschnittliche Lebenserwartung im Jahr 1950 noch bei durchschnittlich 65 (Männer) beziehungsweise 69 Jahren (Frauen), erwarten Statistiker bis 2060 einen Anstieg auf 85 beziehungsweise 89 Jahre. Dieser Trend stellt Chirurgen vor völlig neue Herausforderungen: Bei welchen Patienten führt der Eingriff zu mehr Schaden als Nutzen? Jetzt zeigt Jennifer Watt von der University of Toronto, Abteilung für Geriatrie, worauf Chirurgen achten sollten.
Für ihre Metaanalyse wertete die Forscherin 44 Studien mit insgesamt 12.281 Personen aus. Ihr Einschlusskriterium war, dass sich Patienten ab 60 Jahren planbaren Eingriffen unterzogen hatten. Alle Veröffentlichungen mussten postoperative Komplikationen, postoperative Mortalitäten, die Dauer von Krankenhausaufenthalten oder den körperlichen Zustand bei der Entlassung aus stationären Therapien untersuchen. Die Forscherin fand heraus, dass über alle Studien hinweg 25,17 Prozent der Patienten generell postoperative Komplikationen hatten. Bei jedem vierten Patienten verlängerte sich die Liegezeit. Möglicherweise führt der Weg danach in ein Pflegeheim. Jeder zehnte Senior kehrte nicht mehr in die häusliche Umgebung zurück, und jeder 20. starb innerhalb von 30 Tagen nach dem Eingriff. Aufgrund erheblicher methodischer Unterschiede konnten die Autoren nicht über das Risiko für spezifische postoperative Komplikationen oder deren Schweregrad berichten. Dafür fanden sie allgemeine Trends. Aufgrund ihrer Methodik sieht Watt lediglich Assoziationen, aber keine Kausalitäten.
Ein schlechter Allgemeinzustand erhöhte das Risiko signifikant um den Faktor 2,58. Komplikationen waren mit Nikotinkonsum (Faktor 2,43), mit bereits bestehenden Einschränkungen im täglichen Leben (2,27), mit Gebrechlichkeit (2,16) und mit kognitiven Defiziten (2,01) assoziiert. Weder das Alter noch die etablierte Risikoklassifikation der American Society of Anesthesiologists (ASA) erwiesen sich statistisch als relevant. „Die Tatsache, dass Alter und ASA-Status keine Risikofaktoren für postoperative Komplikationen darstellten, ist etwas überraschend, denn diese Faktoren werden typischerweise bei der Beurteilung des Risikos eines Patienten nach Komplikationen berücksichtigt“, so Watt. „Ältere Erwachsene sind eine heterogene Gruppe von Patienten, deren Risiko für postoperative Komplikationen nicht allein durch ihr Alter, Komorbiditäten oder die Art des chirurgischen Eingriffs definiert ist.“
In ihrem Kommentar weist Watt darauf hin, viele der untersuchten Eingriffe seien planbar gewesen. Das eröffne Ärzten bislang kaum genutzte Möglichkeiten, um postoperative Risiken zu minimieren. Sie nennt Interventionen zur Verbesserung der Ernährung, der Fitness und der kognitiven Funktionen. Dadurch könne man die Gebrechlichkeit bei älteren Patienten und möglicherweise auch das OP-Risiko verringern. Maßnahmen zur Raucherentwöhnung sind laut Review ebenfalls mit einem geringeren Risiko für Komplikationen verbunden. „Diese Strategien könnten in der Klinik präoperativ gezielt eingesetzt werden, was möglicherweise zu besseren Ergebnissen bei älteren Menschen führt“, vermutet die Erstautorin.