Treffen sich ein HNO-Arzt und ein Psychotherapeut auf dem Schlafkongress. Nein, kein Witz, sondern diese Woche durchaus geschehen. Heraus kommt ein ungewöhnliches Konzept, das mit wenig Aufwand die Psychotherapie verbessern könnte.
Die Schlafmedizin ist eine noch recht junge Fachrichtung der Medizin, die in den letzten Jahren aber zunehmend an Aufmerksamkeit gewinnt – bei der hohen Prävalenz an Schlafstörungen auch zu Recht. Dabei gestaltet sich dieser Forschungszweig sehr interdisziplinär und hält auch jenseits von Schlafapnoe und Insomnie noch spannende Themen bereit. Ein Beispiel dafür lieferten HNO-Arzt Prof. Boris Stuck und Psychotherapeut Markus Specht auf einer Pressekonferenz anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM). Ihr ungewöhnliches Thema: Wie man mit nächtlichen Duftreizen die Psychotherapie verbessern kann.
Die Idee beruht auf einigen simplen Prinzipien. Erstens: Das Gehirn ist in der Lage, auch im Schlaf Sinnesreize wie Berührungen, Temperatur und Schall wahrzunehmen und zu verarbeiten (wäre das nicht so, hätten wir alle heute morgen wohl unseren Wecker einfach verschlafen). Auch der Geruchssinn arbeitet im Schlaf weiter, er hat allerdings eine Ausnahmeposition inne: „Es ist nämlich das einzige Sinnessystem, das man nachts weiterverarbeitet, was aber keine Weckreaktion hervorruft“, stellt Prof. Boris Stuck, Direktor der Klinik für Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, fest.
Klar, ein scharfer Zug Ammoniak oder beißender Rauchgeruch hat den ein oder anderen bekanntlich schon mal aus dem Schlummer aufschrecken lassen – das liegt aber nicht am eigentlichen Aroma der Substanzen, sondern vielmehr an ihrer schleimhautreizenden Wirkung. „Wenn Sie aber Duftstoffe nehmen, die nicht reizen […] hat man hiermit die Möglichkeit den Schlaf, das Traumerleben und eventuell auch psychische Prozesse im Schlaf zu beeinflussen – ohne den Schlaf selbst zu stören.“ Aus seinen Forschungen weiß Stuck zu berichten, dass beispielsweise die Exposition zu Rosenduft oder, weniger angenehm, Schwefelwasserstoff (das in niedrigen Konzentrationen eine enorme Geruchsbelästigung darstellt, ohne die Schleimhäute zu reizen) Probanden nicht aufweckt. Trotzdem ließ sich bestätigen, dass das Gehirn diese Reize verarbeitete.
Kommen wir zum zweiten Prinzip: Es ist möglich, durch das Angeben von Duftreizen Lernprozesse zu verbessern. Das Gehirn ist in der Lage, im Wachzustand Lerninhalte an bestimmte Gerüche zu koppeln. Durch die wiederholte Angabe ebenjener Duftreize im Schlaf werden die Lerninhalte also immer wieder aufgerufen und so verfestigt, erläutert Stuck.
Das ist nun genau die Stelle, an der die Psychotherapie ins Spiel kommt. Markus Specht, Leiter des Zentrums für interdisziplinäre Schlafmedizin an der DKD Helios-Klinik Wiesbaden, hält fest: „Im Rahmen einer Therapie lernen wir ja. Wir lernen mit Problemen, die wir haben, anders umzugehen.“ Er verdeutlicht es am Beispiel der posttraumatischen Belastungsstörung. Bei einer PTBS sind Menschen aufgrund des traumatischen Erlebnisses nicht in der Lage, ihre Emotionen im Schlaf abschwächend zu verarbeiten. Bei gesunden Menschen sieht das anders aus; üblicherweise blickt man auf viele Situationen deutlich entspannter, wenn man einmal eine Nacht drüber geschlafen hat. Daher versucht man bei PTBS-Patienten stattdessen im Rahmen der Therapie diese Emotionalität zu reduzieren.
„Kombiniert man das am Tag in der Therapie mit Düften, lässt die Patienten dann schlafen und lässt sie dann auch im Schlaf zum Beispiel diesen Rosenduft riechen, ist die Chance groß, dass es einem gelingt, diese Emotionalität Stück für Stück abzubauen“, so Specht weiter. Ob diese Theorie sich nun auch tatsächlich in die Praxis übertragen lässt, wird zurzeit noch untersucht. Aber sie ist vielversprechend, wie Specht andeutet: „Die ersten Ergebnisse zeigen ganz deutlich, dass man durch Duftreize während der Therapie und in der darauffolgenden Nacht genau solche neuen Veränderungen lernen kann. Das finde ich eine ganz tolle Sache, weil ich einfach nur durch zum Beispiel Verströmen von Rosenduft einen viel besseren Effekt auf die Therapieeffektivität habe.“
Gut, ganz so einfach wie eine Rose in Behandlungszimmer und später neben das Bett des Patienten stellen, ist es nicht. Die Präsentation eines Duftreizes ist komplizierter, als man auf den ersten Blick vielleicht denken mag, da man sich an einen konstanten Geruch rasch gewöhnt. Man denke da nur einmal an das morgendliche Auflegen eines Parfums oder Deodorants, dessen Geruch für einen selbst innerhalb weniger Minuten verfliegt. Der Trick ist also, abwechselnd Geruchspausen und erneute Duftreize zu ermöglichen.
Eine weitere Herausforderung: Erstmal einen geeigneten Duft finden, der einem Patienten auch gefällt. „Düfte sind so stark emotional konnotiert, dass man sich bei der Auswahl der Düfte wirklich viele Gedanken machen muss“, sagt Stuck. Und dann muss man auch noch die optimale Konzentration finden – da ist wohl noch etwas Finetuning zu erledigen, bevor diese Therapie „marktreif“ wird. Aber nichtsdestotrotz: Man darf gespannt sein, wohin uns dieses Konzept in Zukunft noch führen wird.
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