Das Sedativum Midazolam sollte besser nicht nachts verabreicht werden – das zeigt eine aktuelle Studie, die sich mit der sogenannten Chronotherapie beschäftigt. Die Autoren bemängeln: Zu diesem Thema wissen wir viel zu wenig.
Ein gängiges Medikament, das Patienten vor einer Operation schläfrig und weniger ängstlich macht, ist laut einer Studie mit einem erhöhten Risiko von Herzschäden verbunden, wenn die Operationen nachts durchgeführt werden. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der University of Colorado Anschutz Medical Campus. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Tageszeit, zu der ein Medikament verabreicht wird, seine Wirkung beeinflussen kann.
„Wir haben einen großen Datensatz analysiert und gezeigt, dass die Verabreichung von Midazolam mit einem erhöhten Risiko von Herzmuskelverletzungen bei nicht-kardialen Operationen verbunden ist, wenn die Operationen nachts und bei gesünderen Patienten durchgeführt werden“, sagt Dr. Tobias Eckle, Professor für Anästhesiologie an der University of Colorado School of Medicine und Hauptautor der Studie. „Dies ist von großer Bedeutung, da diese Ergebnisse enorme Auswirkungen auf die Patientensterblichkeit haben könnten.“ Die Studie wurde in der Zeitschrift Frontiers of Cardiovascular Medicine veröffentlicht.
Eckle ist einer der wenigen Experten auf dem Gebiet der Chronotherapie, also der Verabreichung von Medikamenten zu bestimmten Tageszeiten, um den zirkadianen Rhythmen besser zu entsprechen. In dieser Studie nutzten die Forscher die umfangreiche Multicenter Perioperative Outcomes Group, um 1.773.118 Fälle zu analysieren, in denen 951.345 Personen das Beruhigungsmittel Midazolam verabreicht wurde. Davon erfüllten 16.404 die Kriterien für eine Myokardverletzung oder MINS. Obwohl es keinen Zusammenhang zwischen der Verabreichung des Medikaments und dem Risiko einer Herzschädigung in der Studienpopulation insgesamt gab, stellten die Forscher fest, dass der Zeitpunkt der Verabreichung des Medikaments von Bedeutung war. „Wir fanden einen starken Zusammenhang zwischen der Verabreichung von Midazolam und dem MINS-Risiko, wenn die Operation in der Nacht oder bei gesünderen Patienten stattfand“, so Eckle.
Die Gründe dafür sind unklar, könnten aber im PER2-Gen liegen, einem durch Licht regulierten Protein, das laut Eckle dazu beiträgt, das Herz vor Verletzungen zu schützen. In Mäusestudien fanden die Forscher einen Zusammenhang zwischen Midazolam, der zirkadianen Proteinexpression und der Ischämie des Herzens. „Das deutet darauf hin, dass Midazolam das zirkadiane System beim Menschen stört“, sagte Eckle. Das Medikament erhöht den Neurotransmitter GABA, der bestimmte Gehirnsignale hemmt und so eine beruhigende Wirkung hat. Das wiederum kann die Expression der höheren nächtlichen PER2-Werte verringern. Da die Werte sinken, kann das Herz anfälliger für Schädigungen werden, wenn Midazolam nachts verabreicht wird.
Laut Eckle ist der gesamte Bereich der Chronotherapie noch zu wenig erforscht und könnte Anhaltspunkte für einen wirksameren Einsatz von Routinetherapien liefern. Er ist der Ansicht, dass neue Medikamente daraufhin getestet werden sollten, zu welcher Tageszeit sie am besten eingesetzt werden können. Blutdruckmedikamente zum Beispiel wirken am besten nachts. „Medikamente werden oft so verabreicht, wie es am effizientesten ist“, sagte er. „Aber das, was am effizientesten ist, kann am Ende auch Schaden anrichten.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der University of Colorado. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Agto Nugroho, Unsplash