Endometriose ist das Chamäleon unter den gynäkologischen Erkrankungen und bleibt oft lange unerkannt. Bisher galt die Operation als Goldstandard. Bringt nun ein einfacher Speicheltest die Wende?
Endometriose betrifft bis zu 10 % der Frauen in der fertilen Lebensphase. Es handelt sich um eine benigne Absiedelung endometriumartiger Zellverbände außerhalb der Gebärmutterhöhle. Betroffen sein können die Muskulatur des Uterus (Adenomyosis uteri), Adnexen und Vagina, aber auch Peritoneum, Harnblase, Harnleiter, Darm, Lunge, Leber und selbst Hautnarben. Dadurch kommt es zu außergewöhnlich heftigen Schmerzen während der Periode, beim Geschlechtsverkehr, Wasserlassen oder der Darmentleerung. Berichtet werden zyklische Schmerzen, aber auch azyklische, diffuse Unterbauchschmerzen sind nicht unüblich. Das macht die Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern und zur Psychosomatik schwer. Manche Patientinnen haben keinerlei Symptomatik und es handelt sich um einen Zufallsbefund bei einer Operation. Bekannt ist, dass Patientinnen mit Endometriose häufiger Sterilitätsprobleme haben und der Kinderwunsch ohne Therapie unerfüllt bleibt.
Weil das Leid der Betroffenen groß und die Abgrenzung zu anderen Erkrankungen entscheidend ist, leitet nur eine definitive Diagnosestellung die adäquate Therapie ein. Bisher stellt die histologische Abklärung im Rahmen einer Operation den Goldstandard dar. Für viele Frauen bedeutet dies eine enorme Hürde. Nun soll ein einfacher Speicheltest Aufschluss darüber geben, ob eine Endometriose vorliegt oder nicht.
Das französische Unternehmen Ziwig hat einen Speicheltest zur Endometriosediagnostik entwickelt, den es voraussichtlich Anfang 2023 auf den deutschen Markt bringen wird. Unter dem Namen Endotest Diagnostic kann er über ein Privatlabor für rund 800 Euro bezogen werden. Innerhalb von zwei Wochen soll die einfache Speichelprobe das Ergebnis aus dem Labor bringen und Auskunft darüber geben, ob sie an Endometriose erkrankt ist oder nicht. Hierfür wird der Speichel auf sein Muster an miRNA untersucht. Die untersuchten kurzen RNA-Stücke, von denen insgesamt 109 ausfindig gemacht wurden, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Erkrankung an Endometriose.
Bisher gibt es eine Studie mit insgesamt 200 Teilnehmerinnen aus sechs französischen Kliniken, die alle an chronischen Unterbauchschmerzen litten. Bei ihnen bestand der Verdacht auf eine Endometriose. Die Daten wurden von Januar bis Juni 2021 erhoben. Bei 153 Patientinnen (76,5 %) wurde im Anschluss eine Endometriose auf klassische Weise diagnostiziert, bei 47 Patientinnen (23,5 %) wurde sie ausgeschlossen. In 96,7 % wurde die Endometriose anhand der miRNA-Signatur richtig erkannt, in allen negativen Fällen wurde das Fehlen von Hinweisen auf Endometriose richtig diagnostiziert.
Die Datenlage ist noch zu gering, um den Speicheltest als erprobtes Diagnostikum zu empfehlen. Verlässliche Studien zur Sensibilität und Spezifität sind unerlässlich, bevor man sich im klinischen Alltag auf die Aussagekraft des Tests verlassen kann. Interessant wäre auch, ob verschiedene Lokalisationen der Endometrioseherde, Rezidive und hormonelle Vortherapien das Ergebnis beeinflussen.
Da es für die Ätiologie der Endometriose bisher nur Kausalitätsvermutungen gibt, bleibt die Therapie symptomatisch und limitiert insbesondere Ausbreitung und Folgeerscheinungen. Vieles deutet daraufhin, dass es sich bei Endometriose um eine chronische Systemerkrankung handelt. Bei 50 % der Betroffenen kommt es, unabhängig, ob medikamentös oder chirurgisch therapiert wurde, nach 5 Jahren zu erneuten Symptomen.
Die chirurgische Therapie dient neben der histologischen Bestätigung zum einen der Schmerzreduktion, zum anderen der Widerherstellung der normalen Anatomie durch Eindämmung der Endometrioseherde. Außerdem werden dadurch die Fertilitätschancen erhöht.
Einige Autoren sehen den Goldstandard der histologischen Abklärung mittlerweile eher relativ. Wenn der klinische Verdacht hoch genug sei, solle mit einer medikamentösen First-Line-Therapie durch Gestagene oder kombinierte Kontrazeptiva begonnen werden. Als Second-Line-Therapie stehen GnRH-Analoga zur Verfügung. Vielversprechend erscheint ein Kombinationspräparat aus Relugolix, Estradiol und Norethisteronacetat, das bisher nur für die Myomtherapie zugelassen ist (ich schrieb hier darüber).
Würde sich der Speicheltest durch weitere Studien als verlässlich etablieren, könnte dadurch die medikamentöse Therapie bei klinischem Verdacht effektiv begonnen werden.
Diagnostik und Therapie der Endometriose sind eine Herausforderung. Die Erkrankung bleibt oft lange unerkannt, verursacht chronische Schmerzen, Sterilitätsprobleme und nicht selten auch psychische Beeinträchtigungen. Ein frühzeitiges Erkennen, medikamentöse Therapieformen und die Anbindung an Endometriosezentren helfen den betroffenen Frauen weitreichend. Operative Therapien, insbesondere bei Fertilitätsproblemen oder rezidivierenden Schmerzen, lassen sich oft nicht vermeiden.
Der Speicheltest ist ein interessantes, nicht invasives Diagnostikum, das in großangelegten Studien erprobt werden muss. Prinzipiell ist der Ansatz erfolgversprechend und könnte klinische Hinweise auf eine Endometriose erhärten oder möglicherweise auf ein Rezidiv hinweisen. Dadurch könnte die Bereitschaft für eine operative Sanierung der sehr wahrscheinlichen Endometrioseherde bestärkt oder die medikamentöse First-Line-Therapie bewusst eingeleitet werden.
Eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen wäre bei wissenschaftlicher Etablierung des Speicheltests im Sinne der betroffenen Patientinnen.
Bildquelle: Mohammad Metri, Unsplash