Jeder sagt mal Dinge, die man lieber nicht sagen sollte. Warum das in der Pflege aber besonders unangebracht ist und wie wir es besser machen können, lest ihr hier.
Meine zwei liebsten Zitate zum Thema Professionalität lauten: „Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance“ und „Wir wirken immer.“ Mit diesen Sprüchen im Hinterkopf: Was macht professionelles Arbeiten aus? Ist es die Arbeitskleidung oder das Auftreten? Die Einstellung, mit der man auf und an die Arbeit geht? Oder ist es gar das Setting, welches stimmen muss, damit man eine andere Person als „professionell“ wahrnimmt?
Per Definition ist Professionalität eine Eigenschaft oder Haltung, die im deutlichen Maße gelassenes und gekonntes Verhalten zeigt, welches auf viel Erfahrung schließen lässt.
Ich stelle euch jetzt zwei Situationen von Pflege-Auszubildenden vor. Die Frage an euch: Welche dieser Szenen ist für euch professioneller?
Auszubildende Sina: „Ich gehe mal schnell die Pampers bei Frau Mayer wechseln!“
Kollegin Klara: „Denken Sie bitte daran, das Bettgitter hoch zu machen! Und Herr Weber muss noch gefüttert werden, gehen Sie da bitte als nächstes hin!“
Sina: „Mach ich, Schwester Klara!“
Sina befindet sich nun bei Frau Mayer am Bett.
Sina: „Halten Sie sich bitte am Bettgalgen fest, Frau Mayer! Ich wechsle Ihnen noch die Pampers, danach sind Sie wieder frisch. Hier ist auch noch die Klingel!“
Danach macht sich Sina auf den Weg zu Herrn Weber.
Sina: „Guten Abend, Herr Weber, ich habe hier Ihren Brei! Ich würde Sie nun gerne füttern, danach mache ich Sie fertig und dann geht es ins Bett!“
Herr Weber ist nun im Bett und von Sina versorgt. Sie möchte ihrer Kollegin Informationen durchgeben, da sie eine auffällige Rötung bei Herrn Weber entdeckt hat und beschließt deshalb, sie anzurufen.
Sina: „Hallo, Schwester Klara, hier ist Schülerin Sina! Sind Sie gerade im Schwesternzimmer? Ich habe da was bei Herrn Weber gesehen, darüber würde ich gerne mit Ihnen reden! Bis gleich!“
Nächster Tag. Heute ist Nadine die Auszubildende für den Tag. Sie übernimmt die Aufgaben, die Sina gestern übernommen hat. Zunächst spricht sie sich mit der zuständigen Pflegeperson im Dienst ab.
Nadine: „Frau Stab, ich mache mich auf den Weg, um das Inkontinenzmaterial bei Frau Mayer zu wechseln. Soll ich dabei noch etwas beachten?“
Kollegin Stab: „Ja, bitte denken Sie daran, das Seitenteil hochzufahren und bei Herrn Weber das Essen anzureichen.“
Nadine befindet sich nun bei Frau Mayer am Bett.
Nadine: „Bitte halten Sie sich an der Aufrichthilfe fest, anschließend würde ich bei Ihnen eine Intimpflege mit Inkontinenzmaterialwechsel durchführen. Und falls Sie Hilfe brauchen, hier oben finden Sie den Notruf!“
Danach macht sich Nadine auf den Weg zu Herrn Weber.
Nadine: „Ich habe hier das passierte Essen, damit Sie es besser schlucken können. Im Anschluss führen wir eine kleine Abendtoilette durch und danach dürfen Sie schlafen!“
Auch sie bemerkt die Rötung und möchte dies bei ihrer Kollegin melden.
Nadine: „Guten Tag, Frau Stab, hier ist Nadine, sind Sie im Stationszimmer? Ich habe bei Herrn Weber eine unbekannte Rötung entdeckt.“
Ihr habt nun beide Versionen gehört, welche wirkt auf euch professioneller?
Pflege hat ein Problem mit ihrer Professionalität, allerdings ist sie keinesfalls unprofessionell – im Gegenteil. Problematisch ist die Außendarstellung. Die Unterscheidung zwischen professioneller Pflege und Laienpflege, die durch Angehörige angeboten wird. Das hat zu großen Teilen auch mit dem Sprachgebrauch zu tun: Autopflege, Freundschaftspflege, Pflanzenpflege. Pflege ist für uns ein Synonym für Fürsorge, daher wird der Begriff in jeder nur erdenklichen Situation genutzt. Was die Pflege am Menschen davon unterscheidet ist allerdings, dass hier professionell ausgebildete Personen mit medizinischem Fachwissen arbeiten. Diese Pflege kann ohne Fachwissen nicht in gleicher Qualität durchgeführt werden.
Ein Puzzleteil dieses Dilemmas möchte ich heute mit euch besprechen: Die Fachsprache.
Wenn man Fachsprache in Kombination mit Pflege betrachtet, denken viele erst einmal an die vielen Anglizismen und Gräzismen, die wir im Fachjargon eingebunden haben: Das Assessment für die Ersteinschätzung eines Patienten, die (Non-)Compliance, die die Akzeptanz zur Zusammenarbeit des Patienten bei Pflegetätigkeiten beschreibt, bis hin zur Prophylaxe, welche die Vorbeugung von negativen Einflüssen und Erkrankungen auf den Patienten beschreibt. Auch unscheinbare deutsche Begriffe wie die Bettlägerigkeit wurden dank Pflegewissenschaftsgrößen wie Angelika Zegelin zu einem der Aushängeschilder für fundiertes Arbeiten nach Erkenntnissen der Pflegewissenschaft.
Im Gegensatz dazu gibt es allerdings Begriffe, die dieses gute, professionelle Bild der Pflege zerstören: Pampers, Bettgalgen, Bettgitter, Schwester und Bettpfanne – um nur einige zu nennen. Begriffe, die einen negativen Beigeschmack haben und trotzdem im täglichen Sprachgebrauch gehäuft vorkommen. Diese Begriffe gehen sogar über die Grenzen der Pflege hinaus: Selbst ärztliche Kollegen und Angehörige nutzen diese vermeintlichen Fachwörter, weil sie es nicht besser wissen und keine Alternative angeboten bekommen.
In den Pflegeschulen wird bereits auf das korrekte Anwenden von Fachsprache aufmerksam gemacht, jedoch wird das auf den Stationen wenig vorgelebt. Daher ist es wichtig, darüber zu sprechen. Ich stelle euch jetzt eine Auswahl an Begriffen vor, die negative Begleitbedeutungen haben – oder gar völlig unhöflich sind – und welche Alternativen ihr stattdessen nutzen könnt:
Ein Synonym für die Inkontinenzversorgung, welches jedoch ausschließlich Produkte im Baby-Sektor meint. Damit einher geht die Gleichsetzung älterer Menschen bei Inkontinenz mit Babys. Inkontinenz ist ein sehr sensibles Thema, nicht selten mit Scham behaftet. Daher ist es umso wichtiger, diese Scham nicht zu verschlimmern.
Der korrekte Begriff ist: Vorlage oder Inkontinenzmaterial (oder kurz Inko).
Zur Sturzprävention haben Pflegebetten eine Schutzvorrichtung an den Seiten, damit die Patienten nicht aus dem Bett fallen. Jedoch ist Gitter ein negativ behaftetes Wort, es steht sinnbildlich für das Wegsperren von Menschen. Vor allem bei der Kriegsgeneration, die teilweise in Gefangenschaft gelebt hat, habe ich bei Kollegen, in Kombination mit Demenz, starke Abwehrhaltungen gegenüber der Schutzmaßnahme gesehen, weil sie den Begriff negativ verstanden haben.
Der korrekte Begriff ist: Seitenteil.
Das Dreieck, welches an jedem Pflegebett über einen Metallrohr über der Liegefläche hängt. Es dient nicht, wie der Begriff vermuten lässt, um Menschen daran aufzuhängen und zu töten, sondern als Hilfsmittel zur Lageveränderung im Bett.
Der korrekte Begriff ist: Aufrichthilfe.
Der Klassiker unter den unprofessionellen Begriffen wird nicht nur gerne von Patienten oder Angehörigen verwendet, sondern teilweise auch von Kollegen. Gelernte Krankenschwestern sollten als das bezeichnet werden, was sie tatsächlich sind: Krankenschwestern. Der Rest ist nicht mit den anwesenden Patienten und Angehörigen verwandt. Zusätzlich dazu ist es hierbei klüger, sich auch gleich mit Nachnamen vorzustellen. Die direkt eingerissene Grenze bei „Pflegefachfrau Sina“ macht es im professionellen Umgang deutlich schwerer, die Balance zwischen Nähe und Distanz zum Patienten zu halten.
Die korrekten Begriffe sind: erworbene Titel wie Pflegefachfrau, Pflegefachmann oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und Fachtitel wie Wundexperte ICW, Pflegefachwirt oder Fachpfleger für Intensivmedizin.
Dieser hier ist einer meiner liebsten Streitpunkte: Überall hört man von den Pflegekräften. Jedoch sind sie keine Maschinen und auch keine Magnetfelder, auf die „Kräfte“ wirken.
Der korrekte Begriff ist: Pflegeperson oder Pflegefachperson – im Falle einer erfolgreichen Ausbildung.
Was eigentlich als Unterstützung in der Pflege gemeint ist, klingt schnell aggressiv und völlig falsch. Wir machen keine Menschen fertig, wir beleidigen sie auch nicht.
Der korrekte Begriff ist: Morgen-, respektive Abendtoilette.
Wenn jemand nicht essen kann, ist diese Tatsache bereits belastend genug. Es bedarf keines Herabsetzens der Person auf das Niveau eines Haustieres. Zumal „füttern“ auch etwas über die Machtverhältnisse zwischen den Parteien aussagt und Kontrollverlust für die gefütterte Partei bedeutet.
Der korrekte Begriff ist: Anreichen von Essen.
Ich gehe mal davon aus, dass ihr die Bettpfanne nicht zum Kochen benutzt, da Pfanne eindeutig ein Begriff aus der Küche ist.
Der korrekte Begriff ist: Steckbecken.
Beim Begriff der Klingel denken wenige primär an die Anlage im Krankenhaus oder im Pflegeheim, sondern an die Einrichtung an der Häuserwand, um sein Ankommen anzumelden. Das drückt jedoch nicht die Wichtigkeit des Gerätes aus. Deswegen wird sie im Gesundheitswesen anders benannt.
Der korrekte Begriff ist: Notruf oder Notrufknopf.
Das Büro, welches für die Pflegepersonen zur Dokumentation oder Tablettenstellung gedacht ist, wird oftmals Schwesternzimmer genannt. Wie wir vorher bereits gelernt haben, ist „Schwester“ ein tradierter Begriff. Zudem befinden sich in dem Zimmer selten nur „Schwestern“, sondern auch ärztliche und verwaltungstechnische Kollegen, wie beispielsweise die Pflegedienstleitungen.
Der korrekte Begriff ist: Stationszimmer oder Stationsbüro.
Das waren ein paar Beispiele meinerseits. Dazu kommen noch etliche Begriffe, die aus der Umgangssprache oder den regionalen Gegebenheiten den Weg in die Pflege finden (z. B. Klamotten oder Bux). Auch diese sind wenig professionell und sollten nach Möglichkeit vermieden werden.
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“, sagt man. Sich von heute auf morgen auf eine komplett fehlerfreie Fachsprache einzustellen, ist schier unmöglich. Allerdings ist es der erste Schritt zur Besserung, wenn ihr bis hierhin gelesen habt und vor dem nächsten Gebrauch eines der angesprochenen Begriffe kurz in euch geht und die professionelle Variante benutzt.
Welche Begriffe fallen euch noch ein, die sich negativ auf die Fachsprache auswirken?
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