Eine aktuelle Studie hat die Dynamik von Blutzuckerwerten und Autoimmunität im frühen Kindesalter untersucht. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, Diabetes in Zukunft früher zu erkennen und Risikotypen zu identifizieren.
Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunkrankheit, bei der die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse durch eine fehlerhafte Reaktion des Immunsystems zerstört werden. Bisher ging man davon aus, dass dieser Prozess unerkannt im Hintergrund verläuft und erhöhte Blutzuckerwerte ein Ergebnis der Autoimmunität gegen die Betazellen sind. Neuste Forschungsergebnisse lassen nun vermuten, dass dies nicht ganz richtig ist.
In einer Langzeitstudie untersuchten Wissenschaftler mehr als 1.000 Kinder ab ihrem vierten Lebensmonat, die ein genetisch erhöhtes Risiko aufwiesen, Typ-1-Diabetes zu entwickeln. Ziel war es, herauszufinden, wann die Betazellen zum ersten Mal betroffen sind und den Zusammenhang zwischen Blutzuckerwerten und der erster Entwicklung von Inselautoantikörpern zu analysieren. Dazu wurden die prä- und postprandialen Blutzuckerwerte sowie die Inselautoantikörper der Kinder geprüft.
Die Auswertung zeigte, dass die Blutzuckerkonzentrationen kurz nach der Geburt – entgegen bisheriger Annahmen – keinen stabilen Zustand erreichen. Stattdessen fallen sie im ersten Lebensjahr ab und steigen im Alter von ungefähr 1,5 Jahren wieder an. „Die dynamischen Veränderungen der Blutzuckerwerte während der ersten Lebensjahre sind verblüffend. Vermutlich werden hier frühe Veränderungen der Bauchspeicheldrüseninseln wiedergespiegelt“, erklärt Studienautorin Katharina Warncke.
Eine weitere spannende Beobachtung: Im Vergleich zu Kindern ohne Autoimmunreaktion wiesen Kinder, die eine Autoimmunität entwickelt haben, bereits zwei Monate vor der Bildung der Autoantikörper erhöhte Blutzuckerwerte auf. Dieser Unterschied blieb im weiteren Verlauf bestehen. Zudem waren auch die Blutzuckerwerte vor dem Essen nach dem ersten Auftreten von Autoantikörpern erhöht.
Der dynamische des Verlauf Blutzuckerstoffwechsels deutet auf eine Phase von Aktivität und Anfälligkeit der Inselzellen hin. „Die starke Veränderung der postprandialen Blutzuckerwerte kurz vor dem ersten Nachweis von Autoantikörpern lässt ein Ereignis vermuten, das die Funktion der Betazellen beeinträchtigt. Dieses Ereignis geht der Autoimmunreaktion voraus und trägt zu ihrer Entwicklung bei“, erklärt Warncke. Da sich die Betazellfunktion nach der ersten Antikörperbildung weiter verschlechtert, scheint es sich um eine dauerhafte Schädigung der Inselzellen zu handeln, die die Blutzuckerregulation destabilisiert. „Jetzt wissen wir, dass der Krankheitsmechanismus vermutlich direkt an den Inseln des Pankreas ausgelöst wird. Damit können wir die Ursache der chronischen Erkrankung gezielter erforschen,” sagt Erstautor Prof. Ezio Bonifacio.
„Unsere Forschungsergebnisse verändern das Verständnis der Entwicklung des Typ-1-Diabetes. Wir zeigen, dass Stoffwechselveränderungen früher im Krankheitsprozess auftreten, als bisher angenommen“, erklärt Studienautorin Anette-Gabriele Ziegler. Sie können der Autoimmunität vorausgehen oder parallel dazu stattfinden. Die Forscher vermuten, dass der plötzliche Anstieg der Blutzuckerwerte nach dem Essen und kurz vor der Entwicklung von Antikörpern mit einer veränderten Funktion der Inselzellen zusammenhängt. „Veränderungen der Blutglukose könnten somit künftig als Indikator für eine Fehlfunktion der Inselzellen und den möglichen Beginn von Autoimmunität gegen die Beta-Zellen dienen“, fasst Ziegler zusammen. Das Team möchte nun die Beziehung zwischen Zuckerstoffwechsel und Bauchspeicheldrüse während der ersten Lebensphase intensiver untersuchen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Helmholtz Zentrums München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Elizaveta Dushechkina, unsplash.