Pilzinfektionen der Lunge sind bisher schwer zu behandeln. Erfahrt hier, wie eine Geheimwaffe aus der Krebstherapie Abhilfe schaffen könnte.
Gentechnisch veränderte T-Zellen mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) – so genannte CAR-T-Zellen – werden bereits zur Therapie von Krebserkrankungen eingesetzt, insbesondere bei Leukämie oder Lymphomen. Die T-Zellen des Immunsystems werden dabei so umprogrammiert, dass sie Krebszellen gezielt erkennen und zerstören. Ein Forscherteam am Universitätsklinikum Würzburg hat nun einen chimären Antigenrezeptor bei T-Zellen entwickelt, der die Strukturen eines Schimmelpilzes – Aspergillus fumigatus – spezifisch erkennt und die Immunantwort gegen den Pilz effektiv unterstützen kann.
Die Sporen des Pilzes sind weltweit verbreitet und können beim Atmen in die Lunge gelangen. Bei einem gesunden Immunsystem sind sie harmlos, können aber bei Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem, etwa nach einer Chemotherapie, zu schweren, oft tödlich verlaufenden Infektionen führen. Auch in Kombination mit einer Covid-Infektion oder Grippe kann Aspergillus fumigatus die Lungenfunktion deutlich beeinträchtigen. Der neue Behandlungsansatz könnte es in Zukunft ermöglichen, Pilzinfektionen der Lunge effektiv und unter Umständen nebenwirkungsarm zu behandeln. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine erschienen.
„Bisher wird die CAR-T-Zelltherapie bereits in zahlreichen Zentren der Welt für onkologische und hämatologische Zwecke eingesetzt. Es handelt sich um ein großes Anwendungsgebiet, das sich in den letzten Jahren sehr schnell entwickelt hat“, sagt Prof. Jürgen Löffler. Er ist zusammen mit Prof. Michael Hudecek Letztautor der Studie und Leiter der AG Löffler, die sich seit über 20 Jahren mit der Erforschung invasiver Pilzinfektionen beschäftigt. „Allerdings kommt die Methode bei Infektionskrankheiten bisher kaum zum Einsatz. Hier gibt es ein paar wenige Studien zu Viren und kaum Forschung zu Pilzinfektionen.“
Es sei jedoch ein großes klinisches Problem, dass man Aspergillus-Infektionen der Lunge bisher nicht gut in den Griff bekomme. „Die derzeitigen Therapien haben viele Nebenwirkungen und können zum Beispiel zu Leberschäden führen“, berichtet Löffler. „Außerdem kann es bei der Therapie mit Azol-Antimykotika wie Voriconazol zur Resistenzbildung kommen. Daher besteht ein großer klinischer Bedarf, neue Behandlungsansätze zu entwickeln. Das war auch die Motivation für unsere Studie.“
Das Forscherteam veränderte erstmals T-Zellen gentechnisch so, dass sie auf ihrer Oberfläche einen chimären Antigenrezeptor tragen, der ein bestimmtes Target – einen Molekülabschnitt eines Antigens – in der Zellwand von Aspergillus fumigatus erkennt. Dazu mussten sie zunächst ein spezifisches Target finden, das die T-Zellen aktiviert und bei ihnen deutliche Effekte hervorruft. „Die Methode, um T-Zellen mit einem chimären Antigenrezeptor zu erzeugen, ist bereits gut etabliert“, berichtet Dr. Michelle Seif, Postdoc in der AG Löffler und der AG Hudecek und Erstautorin der Studie. „Aber ein gutes, präzises Target zu finden, war schon aufwändig und hat etwa ein Jahr gedauert.“
In Laboruntersuchungen und in vivo in zwei verschiedenen Mausmodellen stellten die Forscher fest, dass die T-Zellen mit den Aspergillus-fumigatus-spezifischen CARs (Af-CARs) an den Ort der Pilzinfektionen wandern und dort in hoher Zahl anzutreffen sind. Zudem zeigte sich, dass sie bestimmte Strukturen des Schimmelpilzes sehr gut erkennen und durch die Freisetzung körpereigener Botenstoffe effektiv gegen sie vorgehen, so dass die Belastung der Lunge mit dem Pilz deutlich zurückgeht. „Neben diesem direkten antifungalen Effekt der T-Zellen haben wir aber auch einen indirekten Effekt beobachtet“, erläutert Seif. „In den präklinischen Labormodellen haben wir festgestellt, dass die Aspergillus-fumigatus-spezifischen CAR-T-Zellen bestimmte Cytokine produzieren, die weitere Zellen des Immunsystems aktivieren – insbesondere Makrophagen, die die Wirkung des Immunsystems gegen den Schimmelpilz verstärken.“
Diese aufeinander abgestimmte Reaktion der Immunzellen sei wichtig, da der Pilz auf diese Weise effektiver bekämpft werden könne, betont Löffler. „Unsere Studie verdeutlicht das große Potenzial gentechnisch veränderter T-Zellen. Sie bildet die Basis für eine zukünftige T-Zelltherapie zur Behandlung von Pilzinfektionen und vielen weiteren Infektionskrankheiten, die mit herkömmlichen Therapien nur schwer in den Griff zu bekommen sind“, so der Forscher.
In weiteren Schritten wollen die Wissenschaftler die neu entwickelte CAR-T-Zelltherapie für den klinischen Einsatz vorbereiten und ihre Wirksamkeit in ersten klinischen Studien evaluieren. „Uns ist klar, dass die Herstellung der gentechnisch veränderten Zellen aufwändig und teuer ist und für den klinischen Einsatz verschiedene Genehmigungen notwendig sind“, sagt Löffler. „Aber wir sind davon überzeugt, dass dies eine bessere und wirksamere Therapie sein kann als bisherige Behandlungsansätze gegen schwere Pilzinfektionen.“
Doch könnten bei einer solchen Therapie auch Nebenwirkungen auftreten? So kann es bei CAR-T-Zelltherapien zu einer Überaktivierung des Immunsystems und einem gefährlichen Zytokin-Freisetzungssyndrom oder zu einer Graft-versus-Host-Reaktion kommen, bei der die Immunzellen den Organismus des Empfängers angreifen. „Ein Vorteil des von uns entwickelten Ansatzes ist jedoch, dass die CAR-T-Zellen sehr spezifisch auf Aspergillus fumigatus reagieren und menschliche oder andere Zellen vermutlich nicht angreifen“, berichtet Seif. „Tatsächlich haben wir im Tiermodell keine unerwünschten Begleiterscheinungen beobachtet und in vitro keine Bindung unserer CAR-Struktur an humanes Gewebe feststellen können.“ Darüber hinaus gebe es etablierte Vorsichtsmaßnahmen, um solche Reaktionen auf eine CAR-T-Zelltherapie bei Tumorpatienten schnell und effektiv in den Griff zu bekommen, betont Löffler. „Diese sollten natürlich auch bei neu entwickelten Therapien, etwa gegen Pilzinfektionen, zur Anwendung kommen“, so der Wissenschaftler.
Weitere Schritte ihrer Forschung könnten sein, die Wirksamkeit anderer Immunzellen, etwa natürlicher Killerzellen, gegen Aspergillus fumigatus zu untersuchen sowie das Prinzip der CAR-T-Zelltherapie auf andere Pilze oder Infektionskrankheiten anzuwenden. „Das könnten zum Beispiel Pilze der Ordnung Mucorales sein, die bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem sehr aggressiv und schwer zu behandeln sind. Sie rufen eine Mukormykose hervor, die unter anderem als Komplikation von Corona-Infektionen in Indien aufgetreten ist“, erläutert Löffler.
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