Ein neues Preprint zum Laborursprung von Corona sorgt für heiße Diskussionen. Auch zum Ursprung der Omikron-Variante gibt es eine neue Theorie. Worum’s geht, lest ihr hier.
Das plötzliche Auftauchen und die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante sorgt schon seit einiger Zeit für wilde Spekulationen über dessen Herkunft. Neben der Annahme, dass sich Omikron in einem immunsupprimierten Patienten entwickelt haben könnte, kursiert aktuell die Theorie, dass Omikron aus einem Tierreservoir stammen könnte. Gleichzeitig sorgt ein Paper für Aufruhr, das wieder einmal die künstliche Kreation der Ursprungsvariante von SARS-CoV-2 ins Rampenlicht befördert. Letzteres Szenario wird unter Wissenschaftlern und Laien gleichermaßen heiß diskutiert.
Die Omikron-Variante weist im Vergleich zu älteren Corona-Varianten ungewöhnlich viele neue Mutationen auf. Ein Forscherteam um Wei Zhang von der Universität Minnesota spekuliert, dass diese womöglich auf die Anpassung an einen anderen Wirt – nämlich die Maus – zurückzuführen sei.
In ihrer Studie, die in PNAS erschienen ist, haben sie dazu die rezeptorbindende Domäne (RBD) des Spikeproteins genauer untersucht. Sie interessierten sich vor allem für die vier Mutationen Q493R, Q498R, N501Y und Y505H, die zwei Mutations-Hotspots umgeben. Strukturbestimmungen ergaben, dass diese Mutationen die Affinität der RBD für den ACE2-Rezeptor in Mäusen (mACE2) optimiert – das spricht für eine spezifische Anpassung von Omikron an den Mäuserezeptor. Ebenfalls dafür spricht, dass drei der vier Mutationen (Q493R, Q498R und Y505H) einzigartig für mACE2 sind, während N501Y sowohl die Bindung an Mäuse- als auch an menschliches ACE2 verbessert. Die beiden Mutationen Q493R und Y505H sind mit dem menschlichen ACE2 inkompatibel.
„Einen Ursprung aus dem Nager halte ich für sehr plausibel“, erklärt Prof. Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, auf Nachfrage. „Omikron hat Signaturen, die darauf hinweisen.“
Eher weniger Zuspruch von Prof. Weber bekommt ein Preprint, das angeblich Hinweise für einen Laborursprung von SARS-CoV-2 liefern soll. Darin schreiben die Autoren um Valentin Bruttel vom Universitätsklinikum Würzburg, dass im Genom von SARS-CoV-2 „Fingerabdrücke“ für die synthetische Erzeugung sichtbar seien. Wie kommen sie darauf?
Die Forscher haben in ihrer Studie das Genom des RNA-Virus nachgebaut – das ist eine übliche Technik, etwa um Virusvarianten besser erforschen zu können. Um SARS-CoV-2-Viren herzustellen, muss eine DNA-Kopie des viralen Genoms in voller Länge synthetisiert werden. Weil die Genome von Coronaviren sehr groß sind, unterteilt man das Genom in kleinere DNA-Blöcke, die man anschließend wieder aneinanderklebt. Dabei kommen Restriktionsenzyme zum Einsatz, von denen einige einzigartige Nukleotid-Überhänge an der Sequenzschnittstelle hinterlassen.
Diese Restriktionsstellen, erklären die Autoren, ließen sich bei SARS-CoV-2 in einem regelmäßigen Muster ablesen. Bei verwandten Viren, wie MERS-CoV, treten solche Schnittstellen zufällig auf. Das spreche dafür, dass das Genom synthetisch hergestellt worden sei.
Prof. Weber findet das Manuskript wissenschaftlich nicht besonders hochwertig: „Es wurde auf vielen Ebenen methodisch kritisiert (Statistik, Evolution, Methodik).“ Er selbst habe sich daran gestoßen, dass die Methode der Virusgenerierung aus DNA sehr einseitig und verzerrt dargestellt worden sei. Damit meint er, dass die Forscher in ihrem Paper einige unnötige und komplizierte Umwege gegangen sind, um das Virus zu rekonstruieren. Schon vor zwei Jahren konnten Xie et al. in einer Studie zeigen, dass SARS-CoV-2 im Labor viel leichter und ohne eine Spur einiger dieser Restriktionsstellen hergestellt werden kann. Bruttel et al. haben wohl die Methode so gewählt, „weil das Manuskript anders auch gar keine Grundlage mehr gehabt hätte“, meint der Virologe.
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Auch von anderen Wissenschaftlern wird das Preprint zerrissen. Mikrobiologe Alex Crits-Christoph etwa erklärt in einem Twitter-Thread, dass die behaupteten auffälligen Muster gar nicht mehr so auffällig sind, wenn man die Auswahl der betrachteten Schnittstellen erweitert. Ein klarer Fall von Rosinenpickerei.
„Was die immer wiederkehrenden Studien zum eventuellen Laborursprung angeht: Prinzipiell ist sie eine valide wissenschaftliche Hypothese“, meint Prof. Weber. „Im Gegensatz zu den Arbeiten über den natürlichen Ursprung habe ich dazu aber noch nichts Überzeugendes gesehen. Wir sollten auch nicht vergessen, dass ein Übersprung von Tierviren auf den Menschen sehr häufig geschieht.“
Bildquelle: Dan Cristian Pădureț, unsplash