Das Risiko für Nierenerkrankungen im Erwachsenenalter steht teilweise bereits vor der Geburt fest. Manche Menschen haben einen doppelten Schutz, andere wiederum ein doppeltes Risiko. Wie kommt’s?
Die Gesundheit der Mutter könnte eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung von Nierenerkrankungen spielen. Eine aktuelle Studie der Monash University hat ergeben, dass das Risiko, im Erwachsenenalter an einer Nierenerkrankung zu erkranken, teilweise schon bei der Geburt festgelegt wird. Die Studie, die in der Zeitschrift Kidney International veröffentlicht wurde, zeigt zum ersten Mal, dass manche Menschen mit einem doppelten Schutz vor zukünftigen Nierenerkrankungen geboren werden, während andere ein doppelt so hohes Risiko für eine schlechte Nierengesundheit haben.
Weltweit leiden etwa 800 Millionen Menschen an einer chronischen Nierenerkrankung. Während Diabetes die häufigste Ursache ist, zeigen die Forschungsergebnisse, dass einige Menschen einen größeren Schutz gegen eine spätere Nierenerkrankung haben als andere.
In der Studie wurden 50 Nieren von erwachsenen Spendern untersucht. Studien-Erstautor Prof. Kotaro Haruhara untersuchte den wichtigsten Filtermechanismus der Niere: Er konzentrierte sich auf die Blutfilter des Organs, die Glomeruli, und analysierte deren Podozyten. Je mehr Podozyten, desto gesünder ist die Niere – so der allgemeine Forschungsstand. Die Wissenschaftler entdeckten jedoch zum ersten Mal, dass Nieren mit mehr Glomeruli auch mehr Podozyten pro Filter enthalten. Das bedeutet, dass Menschen mit mehr Glomeruli nicht nur insgesamt mehr Einheiten von Podozyten haben, sondern dass diese Zellen in jedem Filter stärker konzentriert sind.
Der Hauptautor der Studie, Prof. John Bertram vom Monash Biomedicine Discovery Institute, bezeichnete die Forschungsergebnisse als wichtigen Durchbruch für das Verständnis des Nierenerkrankungsrisikos, da einige Menschen nur 200.000 Glomeruli haben, während andere mehr als 2 Millionen besitzen.
„Die Studie zeigte zum ersten Mal, dass menschliche Nieren mit mehr Blutfiltern (Glomeruli) mehr Podozyten pro Filter enthalten“, sagt Bertram. „Da der Mensch mit allen Glomeruli und Podozyten geboren wird, deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass einige Menschen mit einer Art doppeltem Schutz vor Nierenerkrankungen geboren werden, während andere mit einem doppelten Risiko geboren werden.“
Bertram ergänzt, dass Frühgeborene und Neugeborene mit geringem Geburtsgewicht in der Regel weniger Glomeruli haben und ein erhöhtes Risiko für chronische Nierenerkrankungen sowie Bluthochdruck aufweisen. Zwar kann nichts getan werden, um die Zahl der Nierenfilter nach der Geburt zu erhöhen, da sie bis zur 36. Schwangerschaftswoche festgelegt sind – aber die Ernährung der Mutter kann dazu beitragen, diese Zahl im Mutterleib zu maximieren.
„Im Idealfall wird ein Baby zur rechten Zeit und mit einem angemessenen Gewicht geboren, aber vieles davon liegt außerhalb der Kontrolle der Mutter“, so Bertram. „Dennoch haben Studien an Menschen und Tiermodellen gezeigt, dass eine schlechte mütterliche Ernährung sowie Alkoholkonsum, Vitaminmangel und Schwangerschaftsdiabetes zu Nachkommen mit einer niedrigen Glomerulenzahl führen kann“.
Bertram sagt, dass die Podozytenausstattung zwar noch weiter erforscht werden müsse. Erste Erkenntnisse würden aber zeigen, dass werdende Mütter das Risiko einer zukünftigen Nierenerkrankung ihres Kindes verringern könnten, wenn sie auf Alkohol verzichteten und sich ausgewogen ernährten. Die gleichen Ratschläge zur Lebensführung können auch das Risiko für Nierenerkrankungen im späteren Leben verringern.
„Viele Menschen haben entweder eine chronische Nierenerkrankung (CKD) und/oder Bluthochdruck oder werden eine solche entwickeln“, sagt Bertram. „Sie können die Anzahl ihrer Glomerula oder Podozyten nicht ändern, aber Sie können sich um ihre Gesundheit und ihren Lebensstil kümmern, um die Entwicklung von Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck – beides Hauptursachen für CKD – zu vermeiden oder zumindest zu verzögern.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Monash University. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: julien Tromeur, unsplash