Da können wir noch so viel protestieren: Am Kurs der Kassen ändert sich nix. Und während die AOK sich Werbebanner bei Bundesligaspielen gönnt, fürchten Ärzte und Apotheker um ihre Existenz.
Das Ende war absehbar, doch es erschüttert die Apothekerschaft dennoch – das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurde in der vergangenen Woche samt erhöhtem Kassenabschlag im Bundesrat beschlossen. Zwei Jahre kommen nun auf die Inhaber zu, in denen sie sowohl gestiegene Energiekosten als auch höhere Tariflöhne stemmen müssen und das während ihnen gleichzeitig der Ertrag um durchschnittlich 6.500 Euro im Jahr gemindert wird. In der Bevölkerung wie in der Politik ist es trotz des Streiks – oder vielmehr des halbherzigen Streikversuchs (DocCheck berichtete) – nicht angekommen, dass viele Apotheken bereits heute um ihre Existenz bangen. Eine fatale Entwicklung für die Gesundheitsversorgung in Deutschland.
Daniela Hänel, 1. Vorsitzende der Freien Apothekerschaft macht es in der Pressemitteilung des Vereins ganz klar: Der Bundesrat setzt mit dieser Entscheidung auf Apothekenschließungen, die nun unweigerlich in noch größerer Zahl als bisher auf uns zukommen. „Mit der Verabschiedung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes am 20. Oktober 2022 werden die Schließungen von Apotheken weiter forciert. Damit einhergehend, wird der Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen von der Politik billigend in Kauf genommen! Bei den Unmengen an von den Krankenkassen nicht bezahlten Leistungen halten wir auch unter dem Gesichtspunkt des jahrzehntelangen Vorenthaltens der Anpassung an die Inflationsrate das weitere Sparen auf dem Rücken der Apotheken für unmoralisch.“ Sie weist außerdem darauf hin, dass die Apotheken ohnehin nur noch einen Wertschöpfungsanteil von 1,9 % an den Ausgaben der GKV haben.
Die großen Apotheken in den Städten, die immer so gerne als Beispiel aufgerufen werden, wenn es darum geht, dass es den Apotheken doch gut gehen müsse, weil es gleich 3 Stück davon in der Einkaufsstraße gibt – die werden vermutlich nur ein wenig Personal abbauen. Auch die Apotheken, die den statistischen Durchschnittsgewinn der deutschen Apotheken massiv anheben, weil sie Krankenhausversorger sind, Krebsmedikamente herstellen oder sich ganz auf das Cannabisgeschäft verlagert haben, wird das kaum treffen.
Wem es richtig wehtun wird, sind die kleinen Apotheken auf dem Land, die mit vielen Mühen die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auch während des Beginns der Pandemie aufrechterhalten haben. Das sind die großen Verlierer. Das sind diejenigen, die in den kommenden zwei Jahren ihre Türe für immer schließen werden. Doch wer hat etwas davon? Warum wird das so billigend in Kauf genommen?
Wir sehen wir immer noch die große Nähe unserer Politiker zu den Arzneimittelversendern aus dem Ausland. Trotz Protegierung des „kleinen Pflänzchens“, wie es Karl Lauterbach bereits vor einigen Jahren bezeichnete, kränkelt der Versandhandel vor sich hin, da sich die Umsetzung des E-Rezeptes, das ihnen vermutlich zahlreiche Neukunden bescheren könnte, unerwartet zäh gestaltet. Zuletzt gab es im dritten Quartal bei Zur Rose – zu dem auch der Versender Doc Morris gehört – im dritten Quartal Umsatzrückgänge von 20 % auf dem deutschen Markt. Gibt es kurz- bis mittelfristig weitere Apothekenschließungen im ländlichen Bereich, dann ist die Option, Medikamente liefern zu lassen, sicherlich wieder ein Stück reizvoller geworden – wer will schon viele Kilometer bis zur nächsten Apotheke fahren?
Doch wenn wir die weitgehend beratungsfreien Abgabemöglichkeiten über die Versender wahrnehmen, was ist dann mit der guten und niederschwelligen Gesundheitsberatung, welche die Vor-Ort-Apotheken anbieten? Blutdruckmessen, Ernährungsberatung und weitere Dienstleistungen – wer erbringt die? Doch auch hier hatte unser Herr Lauterbach natürlich eine Idee: Das könnten doch jetzt die über 1.000 Gesundheitskioske übernehmen, die er am liebsten deutschlandweit etablieren möchte (DocCheck berichtete). Ob diese Lösung aber auf Dauer gesehen billiger ist als die, einfach das flächendeckende Apothekennetz zu erhalten, das bezweifle ich.
Ebenfalls frage ich mich, wer sich künftig um die Versorgung der Bevölkerung mit T- und BTM-Rezepten kümmert und wer die Individualrezepturen herstellen soll. Aber das sind vermutlich Kollateralschäden, die achselzuckend von der Politik in Kauf genommen werden. Einen Strich durch die schöne Rechnung machten Lauterbach unlängst zudem die Krankenkassen, die Gesundheitskioske als unnötige Geldausgabe brandmarkten.
Apropos unnötige Geldausgeberei: Die Krankenkassen setzen gerne überall im Gesundheitswesen den Rotstift an, außer bei sich selbst – ich finde ja, dass die AOK eigentlich gar nicht knapp bei Kasse sein kann, solange sie noch genügend Geld hat, um eine Bandenwerbung bei Bundesligaspielen zu bezahlen. Der Bundesrechnungshof sah das übrigens ganz ähnlich. Er hielt „die von Sachinformationen losgelöste Werbung der Krankenkassen” für bedenklich und zwar schon genau vor einem Jahr. Danach hörte man nicht mehr viel davon.
Mitte Oktober wurde aufgrund einer Petition eine Beschlussempfehlung an den Bundesrat gegeben, diese dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) als Material zu überweisen, „soweit es um die weitere Begrenzung der Verwendung von Beitragsmitteln für Werbemaßnahmen und Werbegeschenke geht“, und das Petitionsverfahren „im Übrigen abzuschließen“. Wir dürfen gespannt bleiben, wie lange es dort unbeachtet vor sich hinschlummern darf. Von den Krankenkassenvorständen ist nämlich sicherlich mehr Gegenwind zu erwarten als von den Apothekern. Dort wird sich im Falle eines drohenden Gewinnverlustes sicherlich nicht darauf beschränkt, im Falle des Falles einmal Mittwochnachmittags um 12 Uhr aus Protest die Deckenbeleuchtung auszuschalten.
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