Zwei aktuelle Studien zeigen, dass Defekte des CAPRIN1-Gens erhebliche Folgen für Menschen haben. Die Erkenntnisse helfen, die Ursachen vieler neurologischer Erkrankungen zu verstehen.
CAPRIN1 ist ein Protein, das beim Menschen durch das CAPRIN1-Gen kodiert wird. Ein internationales Forschungsteam hat sich das Eiweiß in zwei aktuellen Studien genauer angesehen und konnte zwei wichtige Erkenntnisse für den Ursprung neurologischer Erkankungen erlangen.
Die Wissenschaftler aus Köln und Turin fanden mithilfe von Exomanalysen heraus, dass eine unzureichende Produktion des CAPRIN1 im Gehirn zu massiven Einschränkungen führen kann: Die Wissenschaftler führten unter anderem Autismus-Spektrum-Störungen, ADHS sowie Sprachstörungen auf den Protein-Mangel zurück. Während ihrer Recherche identifizierten sie zwölf Patienten, die Mutationen im CAPRIN1-Gen aufwiesen und bei denen nur etwa die Hälfte der normalen Proteinmenge hergestellt wurde. Die Betroffenen wiesen alle Sprachstörungen auf, 82 % von ihnen hatten ADHS und 67 % waren von Autismus-Spektrum-Störungen sowie weiteren neurologischen Entwicklungsstörungen betroffen. Die Forscher führten die Symptome auf die mangelnde Produktion des Eiweißes zurück.
Bestätigt wurde die Funktion von CAPRIN1 in Laborexperimenten mit humanen induzierten pluripotenten Stammzellen, bei denen durch die CRISPR-Genschere das CAPRIN1-Gen – wie bei den Betroffenen – ausgeschaltet wurde. Die Wissenschaftler beobachteten, dass die Zellen mit einer CAPRIN1-Mutation verkürzte Prozesse und fehlerhafte Schaltkreise entwickelten, die im Vergleich zu den gesunden Neuronen ohne Mutation eine verringerte elektrische Aktivität aufwiesen. Des Weiteren entdeckte das Team Veränderungen in der Translation, einem der wichtigsten zellulären Prozesse für die fehlerfreie Ausbildung von Zellen: Aufgrund der fehlerhaften Translation begannen die mutierten Neuronen nach einigen Tagen zu degenerieren und Klumpen zu bilden.
Weiterhin identifizierten die Wissenschaftler eine spezifische Mutation im CAPRIN1-Gen (CAPRIN1P512L), die zu einer abnormalen Ansammlung von Eiweißen führt. Um herauszufinden, was diese Ansammlung bewirkte, wählten sie aus einer Gen-Datenbank drei Kinder aus, die eine neu-entstandene Punktmutation an einer bestimmten Stelle des CAPRIN1-Gens aufwiesen. An Position 512 fand hier ein Aminosäureaustausch von Prolin zu Leucin statt. Und tatsächlich: Alle drei Kinder zeigten die gleichen Symptome. Sie litten unter früh einsetzenden Bewegungsstörungen, Beeinträchtigung der Sprechmotorik sowie Gedächtnisstörungen und Muskelschwäche. Zudem war die Aktivität ihrer Nervenzellen verringert.
Die Studienautoren konnten daher zeigen, dass genau diese Mutation zu Eiweißklumpen in neuronalen Zellen führt – ähnlich wie bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer. „Die neuen Forschungsergebnisse sind nicht nur für Betroffene und ihre Familien wichtig, die oft jahrelang nach Antworten suchen, um die Ursache ihrer Erkrankung zu verstehen, sondern auch für Ärzte und Ärztinnen, die jetzt schnellere und genauere Diagnosen stellen können“, fasst Studienleiterin Prof. Brunhilde Wirth zusammen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität zu Köln. Hier und hier findet ihr die Originalpublikationen.
Bildquelle: Sangharsh Lohakare, unsplash.