Die aktuellen Vogelzüge bereiten Experten große Sorgen. Für die in Deutschland zirkulierenden hochpathogenen Aviären Influenzaviren ergeben sich so neue Wirte. Eine Saisonalität blieb bei der bisher größten Vogelgrippe-Epidemie erstmals aus.
Experten befürchten mit Beginn des Vogelzugs eine weitere schwere Geflügelpest-Welle. „Tiere verschiedener geografischer Herkünfte und Arten kommen auf engem Raum in dieser Zeit jetzt zusammen. Und das ist für einen Virus natürlich eine ideale Gelegenheit, weitere Wirte zu finden.“ Es gebe die Angst, „dass eine empfängliche Wildvogelpopulation, die jetzt bei uns einfliegt, auf ein Virus trifft, das bereits hier im Ökosystem zirkuliert“, sagt Timm Harder, Leiter des Nationalen Referenzlabors für Aviäre Influenza am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in einem Interview.
Im aktuellen Radar Bulletin, einem monatlichen Risikobericht vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) wird, in Zusammenarbeit mit dem FLI, die Risikolage in Deutschland weiterhin als hoch eingestuft. Beim Hausgeflügel wurden im Vergleich zum Vormonat wieder mehr HPAI-Ausbrüche gemeldet – immer wurde der Subtyp H5N1 festgestellt. Alle Ausbrüche erfolgten küstennah in Niedersachsen. Bei den Wildvögeln wurde H5N1 im Berichtszeitraum bei 142 Tieren bestätigt. Die Fallzahlen seien im Vergleich zum Vormonat leicht zurückgegangen. Betroffen gewesen seien vor allem Wildgänse. Das Risiko eines Eintrags in Geflügelhaltungen und Vogelbestände wird in der Küstenregion weiterhin als hoch eingestuft.
„Die HPAI-Epidemie der Jahre 2021–2022 dauert weiter an, es ist die größte bisher beobachtete Epidemie“, schreiben die Autoren im Bericht. „Die Nachweise bei Wildvögeln in den Monaten Juni bis August 2022 waren so zahlreich wie nie zuvor in diesem Zeitraum – in früheren Jahren kam es in dieser Zeit zu wenigen oder überhaupt keinen Nachweisen. Beim Hausgeflügel war die Anzahl der Ausbrüche in diesem Zeitintervall im Jahr 2022 fünfmal höher als 2021.“ In diesem Jahr habe es außerdem erstmals keine Saisonalität gegeben – das Virus habe sich den gesamten Frühling und Sommer vermehren können.
Nachdem das Virus bereits im Juni bei einem gestrandeten und dann verendeten Schweinswal in Schweden festgestellt worden sei, sei im Berichtszeitraum ebenfalls der Subtyp H5N1 bei einem in Florida in einem Kanal verendeten Delphin nachgewiesen und auch als Todesursache vermutet worden. „Als Infektionsursache wird jeweils die Interaktion mit Kadavern der zahlreichen an HPAI verendeten Wildvögel angenommen“, steht im Radar Bulletin.
BLV und FLI empfehlen nach wie vor die Biosicherheitsmaßnahmen in den Geflügelhaltungen auf hohem Niveau zu halten und, wenn nötig, weiter zu verbessern. „Auffälliges Verhalten und Totfunde bei Wildvögeln sollten umgehend den Veterinärbehörden zur Bergung und ggf. Untersuchung gemeldet werden. In Zoos und Geflügelhaltungen, insbesondere mit Auslauf- und Freilandhaltung, sollten Präventions- und Biosicherheitsmaßnahmen dringend überprüft und wenn nötig optimiert werden.“
Tierhalter können die Biosicherheit ihrer Betriebe u. a. mittels der so genannten „AI-Risikoampel“ kostenlos und anonym überprüfen.
Zum aktuellen Radar Bulletin kommt ihr hier.
Bildquelle: Gary Bendig, unsplash