Bei Mäusen ist das jetzt gelungen. Und nicht nur das – die Arbeit zeigt, dass offenbar auch gesunde Zellen metastasieren können.
Die Metastasierung ist eine der Haupttodesursachen bei Krebspatienten und bislang schwer zu verhindern. Das liegt daran, dass es Forschern bisher noch nicht gelungen ist, die Haupttriebkräfte dieses komplexen Prozesses zu identifizieren, auf die man medikamentös Einfluss nehmen könnte.
Ein Team des Cancer Research UK (CRUK) Cambridge Institute an der Universität Cambridge fand jetzt heraus, dass eine Blockierung der Aktivität des Proteinkomplexes namens NALCN in Zellen von Mäusen mit gastrointestinalen oder Pankreaskarzinomen die Metastasierung auslöst. Auf die Inzidenz des Primärtumors hatte die Blockierung von NALCN hingegen keinen Einfluss.
NALCN (engl.: Sodium (Na+) leak channel, non-selective) ist ein spannungsaktivierter Natriumkanal und vor allem im zentralen Nervensystem zu finden, kommt aber auch in anderen Körperzellen vor. Durch diesen sogenannten Leckkanal, der in der Zellmembran sitzt, kann Natrium in Zellen hinein- und herausströmen. Das beeinflusst das Membranpotential. Doch warum diese Kanäle so direkt in die Krebsmetastasierung involviert zu sein scheinen, ist noch unklar. Von verschiedenen Krebsarten ist bekannt, dass sie mit einer Mutation im NALCN-Gen assoziiert sind.
Die in Nature Genetics veröffentlichten Ergebnisse zeigen auch, dass dieser Prozess offenbar nicht nur auf Krebs beschränkt ist. Als die Wissenschaftler NALCN aus Mäusen ohne Krebs entfernten, führte das zu ihrer Überraschung dazu, dass die gesunden Zellen ihr ursprüngliches Gewebe verließen und durch den Körper wanderten, wo sie sich anderen Organen anschlossen.
Die Blockierung von NALCN, einem Natriumkanal, führt zu Metastasierung in Mäusen mit gastrointestinalen Tumoren (unten). Nach Rahrmann et al.
So wanderten zum Beispiel gesunde Pankreaszellen in die Niere ein, wo sie sich zu gesunden Nierenzellen umwandelten. Das deutet darauf hin, dass Metastasierung per se kein Prozess ist, der auf Krebs beschränkt ist, wie bisher angenommen wurde. Es scheint so, als sei die Metastasierung ein normaler Prozess, der von gesunden Zellen genutzt wird, um in andere Teile des Körpers zu wandern. Die Forscher spekulieren, dass das zur Reparatur normaler Gewebezellen beitragen könnte.
„Diese Ergebnisse gehören zu den wichtigsten, die in den letzten drei Jahrzehnten in meinem Labor gewonnen wurden“, sagt Prof. Richard Gilbertson, Gruppenleiter der Studie und Direktor des CRUK Cambridge Centre. „Wir haben nicht nur eine der schwer fassbaren Triebkräfte der Metastasierung identifiziert, sondern auch ein gängiges Verständnis davon auf den Kopf gestellt, indem wir gezeigt haben, wie der Krebs Prozesse in gesunden Zellen für seine eigenen Vorteile missbraucht. Wenn dies durch weitere Forschung bestätigt wird, könnte das weitreichende Auswirkungen darauf haben, wie wir die Ausbreitung von Krebs verhindern und diesen Prozess manipulieren können, um geschädigte Organe zu reparieren."
Nachdem das Team nun die Rolle von NALCN bei der Metastasierung identifiziert hat, untersuchen die Forscher verschiedene Möglichkeiten, seine Funktion wiederherzustellen. Sie wollen zum Beispiel prüfen, ob es möglicherweise bereits existierende Medikamente gibt, die so umgestaltet werden könnten, dass sie diesen Mechanismus der Krebsausbreitung bei Patienten verhindern.
Bildquelle: National Cancer Institute, unsplash