2014 – ein Jahr ohne Atempause: Ärzte befassten sich mit tödlichen Krankheiten, teuren Medikamenten und neuen Reformpaketen. Endlich kommt die eGK, wenn auch ohne Zusatznutzen. Und Gesundheitsminister Gröhe macht der Selbstverwaltung Beine.
Gute Vorsätze zum Jahreswechsel sollten vor allem forschende Arzneimittelhersteller fassen. Einmal mehr mussten Ärzte erkennen, dass seltene Krankheiten nicht im Fokus von Firmen stehen. Das hat sich bei Ebola jetzt bitter gerächt – die Krankheit ist außer Kontrolle geraten.
Zum Hintergrund: Anfangs von der Weltöffentlichkeit kaum beachtet, erkrankten im Februar 2014 einzelne Patienten am Ebolafieber. Das Virus breitete sich rasch nach Sierra Leone, Liberia und Anfang August nach Nigeria aus. Ende August traten im Senegal erste Fälle auf, und Ende Oktober folgte Mali. Auch in Europa beziehungsweise Nordamerika mussten Ärzte einzelne Patienten behandeln. Kollegen bleibt nur, Betroffenen ausreichend Flüssigkeit zu verabreichen sowie den Elektrolythaushalt zu stabilisieren. Obwohl das Ebolavirus bereits 1976 entdeckt und im letzten Jahrzehnt molekularbiologisch untersucht worden ist, gibt es bis heute keine kommerziell erhältlichen Impfstoffe oder Pharmaka. Jetzt arbeiten Firmen mit Hochdruck an Vakzinen. Schimpansen-Adenoviren scheinen sich als Vehikel für gentechnisch hergestellte Ebola-Proteine zu eignen. Erste Studien lieferten vielversprechende Resultate. Damit nicht genug: Antikörperpräparate wie ZMapp™ zeigten in tierexperimentellen Arbeiten ebenfalls den gewünschten Effekt, lassen sich aber nicht in größerer Menge herstellen. Die ernüchternde WHO-Bilanz aller Anstrengungen: knapp 17.000 Infizierte und knapp 6.000 Todesopfer bis Anfang Dezember.
Bei lukrativeren Krankheiten gibt es durchaus Erfolge zu vermelden, Stichwort chronische Hepatitis C. Ärzte entschieden sich bislang für pegyliertes Interferon α und Ribavirin, hatten aber nicht immer Erfolg. Anfang 2014 wurde Sofosbuvir (Sovaldi®) zugelassen. Der Polymeraseinhibitor führt je nach Genotyp bei bis zu 90 Prozent aller Patienten zur Heilung, ohne dass nenneswerte Nebenwirkungen auftreten. Die Kehrseite der Medaille: Für eine 24-wöchige Therapie zahlen Krankenkassen derzeit rund 120.000 Euro. Grund genug für Oppositionsvertreter, Nachbesserungen beim Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zu fordern. Eine Idee wäre, Erstattungspreise rückwirkend anzuwenden – und nicht erst ab dem 13. Monat des Inverkehrbringens. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), kritisiert auch Preisverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und pharmazeutischen Herstellern. Bei einer Veranstaltung sagte er, man könne genauso gut Lose in eine Trommel werfen und die Höhe des Preisabschlags per Lotterie ermitteln. Im Zuge des Verfahrens würden Produkte ohne Zusatznutzen genauso behandelt wie Pharmaka mit beträchtlichem Zusatznutzen – hier fehle jegliche Systematik.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sieht für Nachjustierungen beim AMNOG momentan keine Notwenigkeit. Er befasste sich lieber mit dem neuen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz. Bereits sein Referentenentwurf stößt auf Kritik: Standesvertreter monieren vor allem den Zwangsaufkauf von Arztsitzen in überversorgten Gebieten. Dass sich Krankenhäuser stärker für ambulante Patienten öffnen, ist ihnen ebenfalls ein Dorn im Auge. Sie sehen ihr Ziel, jungen Ärzten ein attraktives Arbeitsumfeld aufzubauen, gefährdet. Zumindest eine Hürde auf dem Weg zur Selbständigkeit könnte fallen: Dem Arbeitspapier zufolge sind Wirtschaftlichkeitsprüfungen für Arznei- und Hilfsmittel bald obsolet. Der nächste Punkt: Patienten sollen künftig leichter Zweitmeinungen einholen. Ärzte begrüßen dies und kritisieren im gleichen Atemzug, entsprechende Gutachten dürften nicht zum Korrektiv für finanzielle Fehlanreize werden. Auch das geplante Entlassmanagement ist nicht ohne Kontroverse. Apotheker hatten einheitliche Entlassrezepte gefordert, um die Versorgung bis zum nächsten Werktag sicherzustellen. Kassenärzte präferieren jedoch ausreichende Übergangsmedikationen durch Kliniken. Hermann Gröhe wiederum hätte gern Servicestellen bei den kassenärztlichen Vereinigungen. Deren Aufgabe soll sein, Facharzttermine für Patienten zu koordinieren. Dies sein „geradezu widersprüchlich (...) mit Blick auf die vorgesehenen Aufkaufsregelungen“, schreibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Läuft alles nach Plan, gilt das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ab Mitte 2015.
Weitaus früher haben sich Ärzte mit der elektronische Gesundheitskarte (eGK) zu befassen. Ab 1. Januar 2015 gilt das umstrittene Stück Plastik als alleiniger Berechtigungsnachweis für Patienten – Vorgängermodelle verschwinden in der Versenkung. Kollegen sind verpflichtet, bei Personen ohne eGK alle Leistungen privat abzurechnen. Ein teures Spielzeug: Regierungsangaben zufolge summieren sich alle bisherigen Kosten auf rund eine Milliarde Euro. Weitere 200 Millionen folgen bis Ende 2015. Ab wann Tools wie die elektronische Patientenakte (ePA), der Notfalldatensatz sowie das elektronische Rezept zur Verfügung stehen, bleibt fraglich. Hermann Gröhe platzte schließlich der Kragen. Von der Selbstverwaltung enttäuscht, kündigte er ein eHealth-Gesetz an. Im politischen Berlin rechnen Beobachter ab Januar mit ersten Entwürfen.