Dass SGLT-2-Hemmer einen positiven Effekt in der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz haben könnten, ist schon länger bekannt. Aber helfen sie auch bei der Sekundärprävention nach einem Herzinfarkt? Experten sagen: Ja.
SGLT-2-Hemmer sind weiterhin im Vormarsch. Auf dem ESC-Kongress 2022 wurden nun die Ergebnisse der DELIVER-Studie präsentiert, die zeigen, dass SGLT-2-Hemmer bei chronischer Herzinsuffizienz sowohl im Fall einer erniedrigten als auch normalen linksventrikulären Auswurffraktion von klinischem Nutzen sind. Nun rückt auch ihr potenziell positiver Effekt in der Sekundärprävention nach einem akutem Myokardinfarkt in den Fokus.
Myokardinfarkte und der damit einhergehende Verlust an kontraktilem Herzmuskelgewebe sind oft ursächlich für die Entstehung einer Herzschwäche. Eine österreichische Forschergruppe um Prof. Harald Sourij und Prof. Dirk von Lewinski, beide von der Medizinischen Universität Graz, gingen mit der EMMY-Studie (EMpagliflozin in patients with acute MYocardial infarction) der Frage nach, ob SGLT-2-Hemmer auch in diesem Zusammenhang therapeutisch wirksam sind.
Die Studie sollte zeigen, ob eine Therapie mit Empagliflozin ergänzend zur Standardtherapie die Spiegel des kardialen Biomarkers NT-proBNP nach einem großen Herzinfarkt stärker senkt als die Standardtherapie allein. Zudem erfolgte eine echokardiographische Kontrolle. In die prospektive Multicenter-Studie wurden 476 Patienten mit einem medianen Alter von 57 Jahren mit einem akuten Myokardinfarkt in Verbindung mit einer starken Kreatinkinase-Erhöhung (> 800 U/l) eingeschlossen.
Innerhalb von 72 Stunden nach perkutaner Koronarintervention wurde bei ihnen nach Randomisierung eine Therapie mit Empagliflozin (10 mg/Tag) oder Placebo eingeleitet. Die Follow-up-Visiten erfolgten nach sechs, zwölf und 26 Wochen. Der mediane Ausgangwert für das NT-proBNP lag bei 1.294 (757–2.246) pg/ml. Wie eine für Faktoren wie Ausgangs-NT-proBNP, Geschlecht und Diabetesstatus adjustierte Auswertung ergab, wurden die NT-proBNP-Spiegel nach sechs Monaten in der Empagliflozin-Gruppe um 15 % stärker gesenkt als in der Placebo-Gruppe (p = 0,026). Dieses Ergebnis war signifikant.
Auch in der transthorakalen Echokardiographie zeigten sich positive Effekte unter der Therapie mit einem SLGT-2-Hemmer. Sowohl die mittlere absolute Zunahme der linksventrikulären Auswurffraktion (+1,5 %, p = 0,029) als auch die mittlere Reduktion des E/e’-Quotienten als Parameter der linksventrikulären diastolischen Funktion (–6,8 %, p = 0,015) waren unter Empagliflozin jeweils signifikant stärker als unter der Placebo-Therapie. Auch die linksventrikulären endsystolischen und enddiastolischen Volumina waren am Ende in der Empagliflozin-Gruppe signifikant um 7,5 ml (p = 0,0003) respektive um 9,7 ml (p = 0,0015) geringer als unter Placebo.
Im Studienverlauf gab es insgesamt drei Todesfälle. Diese traten alle in der Empagliflozin-Gruppe auf. Nach eingehender Prüfung wurden sie als nicht in Bezug zur SGLT-2-Hemmer-Therapie stehend beurteilt. Sieben Studienteilnehmer mussten wegen Herzinsuffizienz stationär behandelt werden, davon vier in der Placebo-Gruppe. Es gab keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Sicherheitsendpunkte wie Krankenhausaufenthalt, Veränderungen des Glukosestoffwechsels, der Nieren- oder Leberfunktion.
Die Ergebnisse der EMMY-Studie sind also vielversprechend. Allerdings ist die kleine Teilnehmerzahl eine Limitation der Studie. Es werden aber weitere Studien zum Thema durchgeführt, deren Ergebnisse abzuwarten bleiben.
In die aktuell laufenden Studien DAPA-MI und EMPACT-MI sollen jeweils rund 6.500 Patienten mit akutem Myokardinfarkt und Anzeichen für eine linksventrikuläre Dysfunktion eingeschlossen werden. Primär wird untersucht, ob eine SGLT-2-Hemmer-Therapie, zum einen mit Dapagliflozin, zum anderen mit Empagliflozin, geeignet ist, den kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärer Mortalität und Klinikeinweisungen aufgrund einer Herzinsuffizienz in der Phase nach einem Herzinfarkt im Vergleich zu einer Placebo-Therapie signifikant zu reduzieren. Beide Studien könnten im Jahr 2023 zum Abschluss kommen.
Die Ergebnisse der EMMY-Studie stimmen also optimistisch – umso wichtiger ist es, zu verstehen, was der Mechanismus hinter den SLGT-2-Hemmern in der Therapie nach einem Herzinfarkt sein könnte. Hierzu liefert ein im Mai 2022 erschienenes Review im Journal of the American College of Cardiology interessante Informationen. Die Autoren beschreiben in dem Review, dass sich mögliche Mechanismen der SLGT-2-Hemmer nicht direkt auf die Hemmung der Koronarthrombose konzentrieren, sondern eher auf die Abschwächung der neurohormonalen Aktivierung und der Nekrose der Kardiomyozyten.
Eine SGLT-2-Hemmung kann auch zu einer Verbesserung der Ergebnisse führen, indem es die Endothelfunktion und Vasodilatation, den myokardialen Energiestoffwechsel und die Erhaltung der kardialen Kontraktilität verbessert. Das Auftreten von oxidativem Stress kann abgeschwächt werden, um den koronaren Blutfluss und die ventrikuläre Entlastung zu verbessern. Die genannten Wirkungen können eine Kardiomegalie, Fibrosebildung und eine Herzinsuffizienz verhindern. Darüber hinaus können direkte und indirekte kardiorenale Wirkungen zu einer Stabilisierung der Nierenfunktion führen – mit einem schnelleren Anstieg der fraktionierten Natriumausscheidung ohne kompensatorische Steigerung der Aktivierung des sympathischen Nervensystems. Auch eine Steigerung der renalen Erythropoetinproduktion tritt auf. All diese Aspekte können die myokardiale Sauerstoffzufuhr weiter verbessern.
Weitere Quellen:
Solomon S: Dapagliflozin in Heart Failure with Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction – The DELIVER Trial. Hotline-Session 4, ESC-Congress 2022, 26. – 29. August, Barcelona.
Sourij H: Empagliflozin in patients with acute myocardial infarction. Latest science in pharmacotherapy, ESC Congress 2022, 26. – 29. August 2022 in Barcelona.
Bildquelle: Towfiqu barbhuiya, unsplash