Auch kleine Patienten werden erwachsen. Meist kommt dann die Scham dazu – vor allem, wenn es um den Penis geht. Wie man dabei geschickt mit dem Patienten umgeht und nach der Untersuchung die Kurve in den Smalltalk kriegt.
Letztens war ein Patient bei der Jugenduntersuchung J1: Wir sprachen über das in der Praxis Vorbeikommen, wenn es Probleme gibt, dass er – da er älter als 14 Jahre ist – sogar alleine kommen könne, dass ich selbstverständlich Schweigepflicht habe und was das bedeutet. Und, dass er sich jederzeit melden könne – per Mail, per Anruf und auch an den Eltern vorbei. Wir sprachen über den Wechsel zum Hausarzt, der irgendwann ansteht, dass ich ihn aber gerne bis zur Volljährigkeit in meiner Praxis begrüße. Und wir sprachen über Vertrauen, dass wir uns schon lange kennen – er lag schon auf unserer Säuglingswaage im Zimmer 4 – und Scham, welche immer in Ordnung sei.
Für heute – keine drei Monate später – hatte der Fünfzehnjährige einen Termin bei mir vereinbart: Er wolle einen „Ausschlag am Arm“ anschauen lassen – von wegen. Nachdem wir das geklärt hatten – Pflege nach zu viel Desinfizieren –, kam nämlich die eigentliche Frage:
„Können Sie sich das noch ansehen?“
Er holte weit aus, rekapitulierte unser Gespräch von der J1 und erwähnte beiläufig, dass er sich einfach unsicher sei, ob „da so unten alles normal“ aussehe. Kein Problem. Ich bat ihn, sich kurz hinzulegen; fragte, ob es in Ordnung sei, wenn er die Hose öffnen könne, damit ich „mal schauen“ kann. Etwas unbeholfen zeigte er mir die Stellen, die ihn an Penis und Hoden verunsicherten.
„Wissen Sie, das kann ja sonst keiner anschauen. Meinem Vater ist das peinlich, und zu meiner Mutter kann ich schlecht gehen.“
Ich erklärte ihm also die normale Anatomie und versuchte dabei, einen professionell erklärenden Standpunkt einzunehmen. Denn sein Wissen bestand nur aus seltsamen Deutungsversuchen aus dem Internet. Ich erklärte ihm, was ich untersuchen werde, fragte um Erlaubnis und tat es dann auch. Ohne auffälligen Befund war er sichtlich beruhigt.
Ich bestätigte ihm dann auch, dass es völlig in Ordnung sei, Ärzte um Hilfe zu fragen, wenn man Dinge nicht wisse, unsicher sei, und vor allem: wenn die Recherche im Netz zu noch mehr Sorgen führe. Ich dankte ihm für sein Vertrauen und bat um weitere Fragen, die er aber verneinte. Wir wendeten uns schließlich seinem Fußballtraining der Abschlussklasse zu – der elegante Ausstieg im Smalltalk aus der schambesetzten Untersuchung.
„Danke, Doktor. Das hat mir geholfen.“
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