Adipositas ist eine Epidemie – deswegen wird ein Krisenplan benötigt. Leitlinienrecherchen liefern jetzt eine gute Basis für ein Disease-Management-Programm.
Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die medizinischen Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung von Adipositas recherchiert und bewertet – einmal für Erwachsene und einmal für Kinder und Jugendliche. Die nun vorliegenden abschließenden Arbeitsergebnisse sollen dem G-BA als wissenschaftliche Grundlage für die Entwicklung eines neuen Disease-Management-Programms (DMP) Adipositas dienen. Denn nach Daten des Robert-Koch-Instituts sind in Deutschland etwa 24 Prozent der Erwachsenen sowie etwa sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen adipös.
Für die Leitliniensynopse Adipositas – Erwachsene konnte das Institut die Empfehlungen aus 25 aktuellen medizinischen Leitlinien auswerten. Zu all denjenigen Versorgungsaspekten, die üblicherweise in den Richtlinienvorgaben des G-BA zu DMPs beschrieben werden, identifizierte das IQWiG dabei potenziell DMP-relevante Inhalte. In die Leitliniensynopse Adipositas – Kinder und Jugendliche flossen die Empfehlungen aus sechs aktuellen medizinischen Leitlinien ein. Auch hier konnte das IQWiG zu fast allen Versorgungsaspekten potenziell DMP-relevante Inhalte identifizieren.
DMPs sind strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch Kranke, die auf den Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin (EbM) beruhen. Patienten mit bestimmten chronischen Krankheiten können sich in ein DMP einschreiben und erhalten dann eine zwischen den Leistungserbringern abgestimmte leitliniengerechte Versorgung. Für die Behandlung von krankhaftem Übergewicht gibt es in Deutschland bisher noch kein DMP.
Als wissenschaftliche Grundlage für die Entwicklung eines neuen DMP-Adipositas hat das IQWiG alle infrage kommenden nationalen und internationalen medizinischen Leitlinien gesichtet. Bei den Erwachsenen erwiesen sich 25 Leitlinien als für die Fragestellung relevant. Die umfassende deutsche S3-Leitlinie zum Thema (Adipositas – Prävention und Therapie) konnte allerdings nicht in die Bewertung einbezogen werden, weil sie aus dem Jahr 2014 stammt und dementsprechend nicht mehr den aktuellen Versorgungsstandard abbildet. Wann die federführende Fachgesellschaft, die Deutsche Adipositas Gesellschaft, die bereits begonnene Überarbeitung der Leitlinie abschließt, ist offen. Bei den Kindern und Jugendlichen erwiesen sich sechs Leitlinien als für die Fragestellung relevant.
Das IQWiG hat sämtliche in den eingeschlossenen Leitlinien enthaltenen Behandlungsempfehlungen analysiert und jenen bewährten Versorgungsaspekten zugeordnet, die üblicherweise in den Richtlinienvorgaben des G-BA zu DMPs beschrieben werden. Dazu zählen Diagnostik, Therapieziele, allgemeine Grundsätze der Therapie, therapeutische Maßnahmen, Kooperation der Versorgungssektoren, Langzeitbetreuung und Schulungen.
Anschließend bewertete das Institut die identifizierten und zugeordneten Empfehlungen in Hinblick auf ihre DMP-Relevanz. Ergebnis: Sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche konnte das Projektteam zu (fast) allen Versorgungsaspekten potenziell DMP-relevante Inhalte identifizieren. Einzig zu den Aspekten Therapieziele, digitale medizinische Anwendungen und Schulungen fanden sich für die Behandlung adipöser Kinder und Jugendlicher keine relevanten Empfehlungen in den eingeschlossenen Leitlinien.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Die Originalpublikationen haben wir euch hier, hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: i yunmai, unsplash