Ein Apotheker und ein Anwalt haben mehrere tausend Inhaber abgemahnt. Ihr Ansatzpunkt: Vermeintliche Schwachstellen bei Internet-Auftritten. Doch das bittere Ende ließ nicht lange auf sich warten. Was bleibt, ist ein großer Scherbenhaufen.
Schwäbisch Hall. Hinter den Toren der Brücken-Apotheke ging es hoch her. Inhaber Hartmut Wagner beauftragte den Rechtsanwalt Christoph Becker, Leipzig, tausende Inhaber wegen ihrer Online-Präsenzen abzumahnen. Davon waren auch mehrere große Betreiber wie der Wort & Bild Verlag oder apotheken.de betroffen.
Apothekenleitern wurde vorgeworfen, ihr Impressum sei unvollständig. Im Mittelpunkt standen vermeintliche Verstöße gegen das Telemediengesetz, Paragraph 5. Teilweise fehlten Rechtsformen, Umsatzsteuer-Identifikationsnummern oder Kontaktdaten. Ob eine Berufshaftpflichtversicherung online anzugeben ist, bleibt bei Experten umstritten. Darüber hinaus wurden Freitextfelder von Webformularen zur Vorbestellung gerügt – Kunden hätten die Möglichkeit, BtM einzutragen. Tatsächlich kommt hier noch kein Vertrag zustande, heißt es im Kleingedruckten. Zusammen mit einer Unterlassungserklärung erhielten betroffene Kollegen Zahlungsaufforderungen von mehr als 2.000 Euro. In Einzelfällen forderte Becker deutlich höhere Summen.
Gegenüber Medienvertretern erklärte Becker, sein Auftraggeber habe eine Versandapotheke und sei deshalb Wettbewerber der abgemahnten Apotheken. Hinweise auf eine erteilte Versandhandelserlaubnis sind weder bei der zuständigen Kammer noch beim DIMDI-Versandapothekenregister zu finden – dünnes Eis für die juristische Legitimation. Apotheker berichteten auch, sie hätten vom Anwalt mehrere Monate alte Screenshots bekommen. Viel spricht dafür, dass die Aktion im stillen Kämmerlein von langer Hand vorbereitet worden ist.
Nach der Abmahnwelle erhielten mehrere Anwälte eine Fax-Mitteilung. Darin heißt es, alle Abmahnfristen seien ausgesetzt worden. Plötzlich war von Gesprächen mit Verbänden und nicht näher genannten „großen Beteiligten“ die Rede. Betroffene wollten die Aussage aber nicht bestätigen, in Verhandlungen getreten zu sein. Vielfach kontaktierten sie selbst Anwaltskanzleien, um gegen Anschuldigungen formal richtig vorzugehen. Die Luft wurde dünner und dünner. Blieb nur noch ein Ausweg.
Jetzt bestätigte Christoph Becker die Schließung der Brücken-Apotheke. Ein Großhändler war schon vor Ort, um Arzneimittelbestände abzuholen. Zuvor hatte Hartmut Wagner alle Abmahnungen endgültig widerrufen. Werden beide Akteure mit einem blauen Auge davonkommen? Wohl kaum. Gegen Becker und Wagner wurden mittlerweile Strafanzeigen eingereicht. Der Vorstand des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg wird dem Beirat des Verbands einen Ausschluss empfehlen. Auch die Landesapothekerkammer prüft Schritte gegen Wagner.