Wasser vor dem Essen trinken, langsam abnehmen, flüssige Kalorien vermeiden – alles bekannte Abnehm-Tipps. Aber was solltet ihr euren Patienten wirklich empfehlen? Sechs Diät-Mythen im Check.
Ums Abnehmen ranken sich viele Mythen – sei es das Trinken von Wasser vor der Mahlzeit oder die Annahme, dass eine schnelle Gewichtsreduktion weniger nachhaltig ist, als eine langsame. Aber was ist dran, an den gut gemeinten Tipps – halten sie, was sie versprechen? Dieser Frage hat sich Prof. Anja Bosy-Westphal, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, auf dem DGVM-Kongress gewidmet.
Isst man wirklich weniger, wenn man vor dem Essen ein Glas Wasser trinkt? Eine Studie hat das anhand einer Kohorte älterer, übergewichtiger Probanden erforscht und, siehe da, die Kalorienaufnahme, nachdem die Probanden einen halben Liter Wasser eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit getrunken haben, sank um 13 %. Das deckt sich mit den Ergebnissen einer späteren Studie, die an schlanken jungen Männern durchgeführt wurde. Auch hier kam es bei 2 Gläsern Wasser, diesmal allerdings direkt vor der Mahlzeit, zu einer Kalorienreduktion von 22 % bei der darauffolgenden Mahlzeit. „Vor dem Essen zwei Gläser Wasser zu trinken ist ein ganz alter, aber auch sehr wirksamer Tipp“, so Prof. Bosy-Westphal.
„Wenn man aber nun das Wasser durch ein kalorienreiches Getränk ersetzt, nimmt man mehr Kalorien zu sich, als man ohne einem zusätzlichen Getränk konsumieren würde“, so die Ernährungsmedizinerin weiter. Es war allerdings lange unklar, ob es einen Unterschied macht, das Getränk zum oder vor dem Essen zu konsumieren. Dieser Frage nahm sich ein Team rund um Bosy-Westphal an. Die Ergebnisse: Wenn dreimal täglich Orangensaft zu den Mahlzeiten konsumiert wurde, hat das den Energiehaushalt nicht beeinflusst – die aufgenommene Kalorienmenge unterschied sich nicht signifikant zu der ohne Orangensaft. „Wenn der Saft hingegen zwischen den Mahlzeiten getrunken wurde, wurden diese flüssigen Kalorien on-top konsumiert. Das führte zu einem erheblichen Anstieg der Körperfettmasse – und zwar um genauso viel, wie in dem Orangensaft an Energie gesteckt hatte“, erläutert Bosy-Westphal. „Die Message wäre also: Wenn schon kalorienhaltige Getränke konsumiert werden, dann am besten zum Essen dazu.“
Ein beliebter Abnehm-Tipp ist, lieber mehrmals am Tag kleinere Portionen zu essen. Aber wirkt sich das wirklich positiv auf den Energiehaushalt aus? Nein, im Gegenteil. Studien haben eindrücklich gezeigt, dass über einen langen Beobachtungszeitraum von 7 Jahren Probanden, die bis zu 6 Mahlzeiten am Tag zu sich genommen haben, deutlich mehr gewogen haben als Probanden, die weniger Mahlzeiten zu sich nahmen. Ebenfalls relevant: Der Zeitpunkt der Kalorienaufnahme. „Dieselbe Studie zeigt, dass Personen, die den Großteil ihrer täglichen Kalorien am Abend zu sich nehmen, deutlich mehr wiegen, als diejenigen, die ein kalorienreiches Frühstück zu sich nehmen“, ordnet Bosy-Westphal die Studienergebnisse ein. „Ebenso wiegen diejenigen, die regelmäßig frühstücken, weniger, als diejenigen, die das Frühstück auslassen.“
In einer aktuellen Studie wurde deswegen untersucht, ob sich der Zeitpunkt der Kalorienaufnahme bei gleichen Kalorien am Tag auf die allgemeine Gewichtsabnahme bei einer kalorienreduzierten Diät auswirkt. Eine Gruppe erhielt 45 % der täglichen Kalorien morgens, 35 % mittags und 20 % abends, im Vergleich zur Kontrollgruppe mit einem Verhältnis von 20 %, 35 % und 45 % respektive. Es gab keinen Unterschied im Energieverbrauch und der Gewichtsabnahme. Jedoch waren die Probanden mit einer überwiegend morgendlichen Energiezufuhr deutlich weniger hungrig, was zu einer besseren Gewichtsabnahme unter alltäglichen Bedingungen führen könnte.
Lieber Smoothie, jetzt geht’s dir an den Kragen – denn es ist nicht egal, in welcher Form Kalorien aufgenommen werden. „Flüssige Kalorien halten weniger lange satt. Bei gleicher Energiedichte und gleichem Ballaststoffanteil sättigen ganze Früchte mehr als Fruchtsaft“, erklärt Bosy-Westphal. Probanden, die eine Vormahlzeit von 125 kcal Apfel in Apfelstücken zu sich genommen haben, reduzierten die spontane Kalorienaufnahme bei einer 15 Minuten späteren Mahlzeit um rund 200 kcal, verglichen mit keiner Vormahlzeit. Bei Apfelmus lag der Effekt nur mehr bei knapp 100 kcal, während Apfel-Smoothies und Apfelsaft keinen positiven Einfluss auf die spätere spontane Kalorienaufnahme hatten. „Flüssige Kalorien sättigen also deutlich schlechter als feste. Deswegen sollten wir möglichst kalorienfreie Getränke zu uns nehmen“, konkludiert Bosy-Westphal.
Und weil es eben nicht egal ist, in welcher Form Kalorien verzehrt werden, muss auch über die Kaloriendichte in Lebensmitteln gesprochen werden. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die hochverarbeitete Lebensmittel zu sich nehmen und so viel davon essen konnten, wie sie wollten, rund 500 kcal am Tag mehr konsumieren – und dementsprechend mehr zunehmen. Menschen, die wenig verarbeitete Lebensmittel konsumierten, nahmen hingegen im selben Zeitraum ab. Aber woran liegt das?
„Die Diäten hatten dieselbe Menge an Kalorien, Zucker, Fett, Ballaststoffen und Mikronährstoffen – und trotzdem hat die Gruppe, die hochverarbeite Lebensmittel konsumierte, zugenommen. Was war also anders? Die Essgeschwindigkeit. Und die hängt stark mit der Textur der Lebensmittel zusammen. Hochverarbeitete Lebensmittel sind viel weicher, man muss sie weniger kauen. Das führte dazu, dass die Probanden sowohl in Gramm/Minute als auch in kcal/Minute mehr verzehrten, wenn sie Lebensmittel mit soften Texturen konsumierten. Die Textur scheint also der Hauptgrund zu sein, aber wenn dann diese Texturen noch in Form von hochverarbeiteten Lebensmitteln konsumiert werden, steigert sich dieser Effekt nochmals“, so Bosy-Westphal.
Ein weiterer hartnäckiger Mythos ist: Wenn man zu schnell abnimmt, hat man eine höhere Wahrscheinlichkeit, unter einem Jojo-Effekt zu leiden. Langsames Abnehmen hingegen würde einem solchen Effekt entgegenwirken. Studien konnten jedoch überraschenderweise zeigen, dass eventuell das Gegenteil der Fall sein könnte. In der Studie nahmen zwei Gruppen – langsam und schnell – gleich viel ab. „Die erneute Gewichtszunahme war erstaunlicherweise bei beiden Gruppen identisch. Hinzu kommt, dass diejenigen, die schneller abnehmen, dabei erfolgreicher sind und öfter das initiale Zielgewicht erreichen. Eine schnellere Gewichtsabnahme ist also sogar erfolgreicher und bedeutet keinen schlechteren Langzeiterfolg“, konkludiert Bosy-Westphal die Studienergebnisse.
Eine der momentan beliebtesten Methoden um Gewicht zu verlieren, ist das Intermittent Fasting, auch Intervallfasten genannt. Das zeitlich limitierte Fasten ist dabei nicht so leicht zu untersuchen – gibt es doch unzählige Varianten und zeitliche Einteilungen.
Es stellte sich jedoch heraus, dass bei einem Modell mit entweder alternierenden oder zwei Tagen pro Woche strenger Kalorienreduktion – verglichen mit einer gleichen Energierestriktion gleichmäßig auf die Woche verteilt – kein signifikanter Unterschied in der Gewichtsreduktion gefunden werden konnte. „Auch der langfristige Erfolg unterschied sich in keiner Weise“, so Bosy-Westphal. „Deswegen kann man, wenn man es positiv formulieren möchte, sagen, alternierendes Fasten funktioniert genauso gut, wie jeden Tag Diät zu halten – es ist aber auch der kontinuierlichen Energierestriktion nicht überlegen.“
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