Wissenschaftler untersuchten in einer aktuellen Studie Gewebeschäden am Hirn älterer Personen. Dabei fiel ihnen ein geschlechtsspezifischer Unterschied auf – ein weiterer Beweis für die Relevanz der geschlechtsspezifischen Medizin.
Auf MRT-Aufnahmen von älteren Erwachsenen lassen sich häufig helle Flecken erkennen, die auf Anomalien der weißen Hirnsubstanz hinweisen – den sogenannten White Matter Hyperintensities. „Das sind Anzeichen von Gewebeschäden, die mit Durchblutungsstörungen, Schlaganfall und kognitiven Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht werden“, erläutert Neurowissenschaftlerin Valerie Lohner. Die Forscherin und ihr Team wollten mehr über die Verbreitung der Anomalien wissen und werteten in einer Populationsuntersuchung Daten von fast 2.000 Frauen und mehr als 1.400 Männern aus.
Dabei zeigte sich nicht nur, dass Anomalien im Hirngewebe mit dem Alter zunehmen, sondern auch ein großer Unterschied zwischen Männern und Frauen. Besonders auffällig waren die Befunde von Frauen in der Postmenopause: „Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Frauen, bei denen die Menopause bereits begonnen hat, anfälliger für Veränderungen an den Hirngefäßen und damit für Hirnerkrankungen sind als Frauen vor der Menopause, selbst wenn sie ein ähnliches Alter haben“, sagt Studienleiterin Prof. Monique Breteler.
Der Unterschied wurde schon länger vermutet, die Datenlage war jedoch nicht eindeutig – bis jetzt. „Wir haben daher einen größeren Personenkreis und eine größere Altersspanne erfasst als bisherige Studien. Bei Frauen vor der Menopause fanden wir keine signifikanten Unterschiede zu gleichaltrigen Männern. Die Sachlage ändert sich jedoch nach der Menopause. Das betrifft also jene Frauen, die ihre letzte Regelblutung bereits hatten. Bei ihnen waren die Schäden an der weißen Hirnsubstanz ausgedehnter als bei Männern im gleichen Alter“, erklärt Lohner.
Schäden an der weißen Hirnsubstanz führen zwar nicht zwangsläufig zu einer Demenz oder einem Schlaganfall, dennoch werden sie als Risikofaktoren eingestuft. Die Ergebnisse der Studie zeigen nun, dass man bei der Beurteilung dieser Gehirnschäden spezifische Unterschiede zwischen Männern und Frauen berücksichtigen sollte: „Dies unterstreicht die Relevanz geschlechtsspezifischer Forschung und Therapie“, so Breteler.
Die Ursachen für die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind unklar. Schon länger wird darüber spekuliert, dass Östrogen eine schützende Wirkung haben könnte, die im Alter verloren geht. Die Studie zeigt jedoch auch: Frauen, die nach der Menopause regelmäßig Hormonpräparate einnahmen, waren im Durchschnitt ähnlich stark von Anomalien der weißen Hirnsubstanz betroffen wie Frauen, die postmenopausal keine Hormone einnahmen. „Diesem Thema werden wir weiter nachgehen“, sagt Breteler.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE). Die Originalpublikation findet ihr hier.Bildquelle: Velizar Ivanov, unsplash