Was kommt dabei raus, wenn berufsferne Menschen über Ausbildungen entscheiden? Keine PTAs in der Forschung und mehr Verantwortung ist auch nicht drin. Mein ernüchterndes Fazit der Expopharm 2022.
Ich hatte die Ehre, bei einem InspirationLab auf der Expopharm in München als Speakerin teilnehmen zu dürfen. Es ging um das Thema PTA-Ausbildungsreform. Mit mir auf der Bühne waren unter anderem Carmen Steves, Bundesvorsitzende des BVpta, Kerstin Wahlbuhl, Vorsitzende der DPhG-AG theoretische und praktische Ausbildung und Dr. Hannes Müller, Vorstandsmitglied der ABDA und Bundesapothekerkammer.
Für mich und viele andere PTA bleiben jedoch Fragen offen – zu viele Fragen. Der Beruf der PTA, dessen Ansehen ohnehin bereits zu bröckeln begonnen hat, wird hier nur wenig auf-, sondern vielmehr abgewertet. Diese Ausbildungsreform scheint nur ein Ziel zu haben, nämlich die PTA ausschließlich in die Apotheken zu holen, wo sie weiterhin kleingehalten werden kann.
Wahlbuhl hat die Novellierung der PTA-Ausbildung begleitet und im ersten Halbjahr 2021 zusammen mit zahlreichen weiteren PTA-Lehrkräften Lehrplanempfehlungen zur Umsetzung des PTA-Reformgesetzes für alle Fächer der künftigen Ausbildung erstellt. Und das mit einem Elan und Einsatz, der seinesgleichen sucht. Dafür gebührt ihr mein größter Respekt. Nur ist es leider so, dass eines der bislang wichtigsten Fächer auf die Hälfte der Stundenzahl eingekürzt wurde, nämlich die praktische Chemie.
Begonnen hat alles im Jahr 2018, als die Apothekengewerkschaften ADEXA und der BvPTA ein gemeinsames Positionspapier auf den Weg brachten, in dem sie grundlegende Reformen bei der Ausbildung fordern und dafür plädieren, die Ausbildungszeit auf 36 statt 30 Monate zu verlängern. Die Schüler sollten davon 30 Monate an der Schule lernen und 6 Monate anschließend in der Apotheke verbringen. Zudem sollen Ausbildungsschwerpunkte und Themen nach zeitgemäßen Erfordernissen aufgestockt und die Ausbildungsstandards bundesweit angeglichen werden. Ein Jahr später lag dann der Referentenentwurf auf dem Tisch und die Enttäuschung war überall groß.
Zeitgemäße neue Fächer und Lerninhalte wurden zwar wie gewünscht eingepflegt – unter anderem wird nun ein Augenmerk auf das Qualitätsmanagement und die Digitalisierung gelegt – doch wurde dafür die Ausbildung nicht verlängert. Um alles Neue unterzubringen, musste Altes, wie das Fach Physikalische Gerätekunde, weichen. Auch die Chemie musste ordentlich abspecken, ihre Laborstunden wurden halbiert.
Das soll nun den Beruf attraktiver machen? Ein nicht nur unter meinen eigenen Schülern häufig genannter Grund, diese Ausbildung zu beginnen, war bislang die Möglichkeit, sich nach erfolgreichem Abschluss auch in der Industrie bewerben zu können. Wer sich also für die Apotheke als künftigen Arbeitsplatz weniger interessiert und wen eher der Bereich Arzneimittelherstellung und -prüfung gereizt hat, der muss nun umdenken. Bei so wenig Praxisstunden im Labor dürfte das ohnehin überschaubare Interesse potenzieller Arbeitgeber aus der pharmazeutischen Industrie nun noch weiter schwinden.
Zu einer Verlängerung der Ausbildungszeit war man nicht bereit. Ein Satz dazu aus dem Referentenentwurf: „Die Verlängerung des schulischen Lehrgangs würde zu erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten bei den Schulen und Lehrkräften sowie zu einer damit einhergehenden (zumindest temporären) Verringerung der Absolventenzahl und Verteuerung der Ausbildung führen.“
Eine etwas geringere Zahl an PTA-Schülern in der Umstellungszeit wäre in meinen Augen durchaus verkraftbar gewesen, hätte man anschließend eine Ausbildung mit drei Jahren konzipiert, die zumindest theoretisch die Durchlässigkeit zu einem passenden anschließenden Bachelorstudiengang, den es noch zu schaffen gilt, geboten hätte. Denn das ist es doch, was sich viele PTA wünschen würden: mehr Verantwortung für diejenigen, die bereit sind, sich noch weiter ausbilden zu lassen, um den Anforderungen, die bei einer Beratung der Patienten anfällt, gerecht werden zu können. Kein halbherziges Herumgeschraube an der Ausbildung. Auch noch dafür, dass man sich danach ein Leben lang den Satz aus dem Referentenentwurf zum Lebensinhalt machen muss: „Die Erweiterung der Kompetenzen [eines PTA] ist grundsätzlich limitiert. Eine Vertretung der Apothekenleiterin oder des Apothekenleiters und die Wahrnehmung von Aufgaben, die einer Apothekerin oder einem Apotheker vorbehalten sind, können nicht in Betracht kommen.“
Aber das ist auch gar nicht gewollt. Müller kommentierte auf der Bühne, dass die PTA in der Apotheke doch ein großes Verantwortungsgebiet innehabe, und dass das letztlich ein Apotheker unterschreibt und damit verantwortet, sei ja nur Formsache. Da möchte ich einmal in aller Deutlichkeit sagen: Nein, das ist es nicht.
Lässt man ein minderjähriges Kind eine Schulzensur von den Eltern unterschreiben, so ist es auch hier nicht nur eine reine Formsache. Hier ist es ganz deutlich, wer die Verantwortung, die Aufsichtspflicht innehat. Das Kind ist sicherlich als Mensch genauso viel wert wie ein Erwachsener und doch macht es einen Unterschied, wenn es mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres zum ersten Mal stolz seine eigenen Zensuren abzeichnet. Erst dann ist man nämlich wirklich selbst verantwortlich und vorher noch unmündig. Nichts weiter will die PTA in der Apotheke sein, wirklich selbst verantwortlich für ihren eigenen Arbeitsbereich und nicht unter der Kontrolle eines Apothekers, der vielfach gar nicht richtig nachvollziehen kann, was man beispielsweise bei einer Plausibilitätsprüfung oder einer Arbeitsanweisung in der Rezeptur unterschreibt, da diese die PTA selbst ausgefüllt hat.
Ähnlich wird es in der Zukunft vielen PTA-Schullehrern ergehen, die bislang noch eigenverantwortlich in einem Schullabor gearbeitet haben. Als ich mich selbst vor etwa 5 Jahren an eine PTA-Schule begeben habe, war es das, was ich wollte: Verantwortung übernehmen, die mir nach zweimaliger Überprüfung durch das Regierungspräsidium auch gegeben wurde. Ich habe mich zwei Jahre lang zusätzlich pädagogisch qualifizieren lassen, um nun zu erfahren, dass diese Zeit bald ein Ende hat. Ohne Apotheker an der Seite darf in naher Zukunft keine PTA mehr Schüler anleiten. Ich frage mich, wo all die qualifizierten Apotheker herkommen sollen, die künftig die Lehr-PTAs überwachen sollen? Im Gespräch mit Wahlbuhl und Steves wurde mir dann gesagt, dass dieser Aspekt beiden nicht ganz präsent war und man sich überlegen könnte, einen Bestandsschutz für bereits unterrichtende technische Lehrkräfte anzustreben.
Zum Thema Überprüfung auch noch einen Fun Fact: Wahlbuhl hat ebenfalls in der Arbeitsgruppe der Bundesapothekerkammer „Richtlinie zur Durchführung der praktischen Ausbildung zur/zum PTA“ mitgewirkt. Dort wurden 19 – wirklich gute – Arbeitsbögen entwickelt, die die PTA-Schüler innerhalb der 6 Monate in der Apotheke gemeinsam mit einem Apotheker oder einer pädagogisch weitergebildeten PTA ausfüllen soll. Dafür wurden 4 Wochenstunden festgelegt. Müller wurde während des Bühnenvortrages mit der Frage konfrontiert, wie verbindlich diese Arbeitsbogen und die Zeitangaben denn seien. Seine Antwort: Die Richtlinien seien schon „sehr verbindlich, aber nicht letztendlich verbindlich“. Man dürfe zwar etwas davon abweichen, das sei jedoch „nicht zu empfehlen“.
Die Frage, wer das denn letztlich kontrolliert, stellte ich im Vorfeld an diese Diskussion bereits meinem zuständigen Regierungspräsidium, das mir darauf nicht antworten konnte. Deswegen stellte ich sie nach der Diskussion dann auch Müller. Die Antwort: „Vermutlich wird das gar nicht kontrolliert.“ Aber die Apotheken, die das gewissenhaft durchführen, die hätten „sicherlich einen höheren Zulauf an Azubis“, denn das spräche sich herum. Witzig, denn ich hatte bislang eher den Eindruck, die Apotheken wären gar nicht so begeistert davon, einen oder mehrere Azubis auszubilden. Fertige PTA werden mit Kusshand genommen, doch unsere Schüler haben es oft nicht leicht, für das praktische Jahr einen guten Platz zu ergattern.
Auch so ein Phänomen, das durch den Arbeitskraftmangel entsteht: Man hat keine Zeit mehr, den eigenen Nachwuchs auszubilden – weil man absolut überlastet ist. Der fehlende Nachwuchs sorgt dann wieder für noch mehr Arbeit, aber das ist ein anderes Thema. Das hat mir wieder gezeigt, wie weit die ABDA eigentlich von der täglichen Arbeit in einer Vor-Ort Apotheke entfernt ist.
Eine Reform, die niemanden weiterbringt, und die PTA in der Apotheke auf dem ihr zugewiesenen Platz festnagelt. Ohne wirkliche Möglichkeit, sich so weiterzubilden, dass ihr mehr Verantwortung übertragen werden kann. Eine Ausbildung, die zwar wunderbar gestaltet ist, die aber so vermutlich nur in den seltensten Fällen stattfinden wird. Ein Beruf, der liebens- und lebenswert ist, der aber in die Altersarmut führt. Eine Standesvertretung die offenbar die Bindung zum Fußvolk verloren hat. Ein ernüchterndes Fazit der Expopharm 2022.
Bildquelle: Dim Hou, unsplash