Immer wieder steht die Telemedizin in der Kritik, auch bei gynäkologischen Themen. Besonders umstritten: Abtreibungen. Dabei verhilft die Telemedizin gefährdeten Frauen zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen.
Eine in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte Studie zeigt, dass ein medizinischer Schwangerschaftsabbruch auch ohne routinemäßige Ultraschalluntersuchung sicher und effektiv per Telemedizin durchgeführt werden kann. Die Studie, die in Zusammenarbeit zwischen Forschern des Karolinska Institutet in Schweden und der Universität Kapstadt in Südafrika durchgeführt wurde, zeigt somit die Möglichkeiten auf, sichere und wirksame Abtreibungsdienste auch in ressourcenarmen Gebieten anzubieten.
„Soweit wir wissen, ist unsere Studie die erste randomisierte klinische Studie zur Bewertung der Telemedizin bei Schwangerschaftsabbrüchen. Diese Methode kann möglicherweise die Zahl der unsicheren Schwangerschaftsabbrüche verringern, was in Zeiten, in denen das Recht auf Abtreibung bedroht ist, besonders wichtig und relevant ist“, sagt Margit Endler, Forscherin in der Abteilung für Frauen- und Kindergesundheit am Karolinska Institutet und Beraterin in der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie am Södersjukhuset (Stockholmer Allgemeinkrankenhaus Süd).
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden jedes Jahr 25 Millionen unsichere Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt – bis zu 47.000 Frauen und Mädchen sterben an den Folgen. Die Hauptgründe für unsichere Abtreibungen sind fehlende Ressourcen, die Stigmatisierung von Abtreibungen und restriktive Abtreibungsgesetze. Schätzungen zufolge wird beispielsweise in Südafrika etwa die Hälfte aller Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des allgemeinen Gesundheitssystems durchgeführt, wodurch die Sicherheit der Frauen, die eine Behandlung benötigen, gefährdet wird.
An der aktuellen Studie nahmen 900 Frauen aus vier Kliniken in Kapstadt, Südafrika, teil, die sich in oder vor der neunten Schwangerschaftswoche befanden und eine Abtreibung vornehmen lassen wollten. Die Hälfte von ihnen erhielt eine Standardbehandlung mit persönlicher Beratung, Ultraschall und einem Abbruch, der mit oralen Medikamenten in der Klinik eingeleitet wurde. Die andere Hälfte wurde telemedizinisch behandelt. Die Frauen füllten ein Online-Konsultationsformular aus, erhielten Informationen und Anweisungen für den Abbruch per SMS und nahmen beide Abtreibungsmedikamente zu Hause ein. Die einzige persönliche Komponente, die die Telemedizin-Gruppe erhielt, war eine einfache Gebärmutteruntersuchung, die als Sicherheitsvorkehrung in der Klinik durchgeführt wurde.
Die Forscher verglichen dann die Rate der erfolgreichen Abtreibung, der fortgesetzten Schwangerschaft, der unerwünschten Ereignisse und der Zufriedenheit mit der Behandlung. Sie stellten fest, dass die Frauen, die den Abbruch über die Telemedizin durchführten, sich gut an die Anweisungen hielten und ebenso gute Behandlungsergebnisse erzielten wie die Frauen, die die Standardbehandlung erhielten – und das bei einem ähnlichen Sicherheitsniveau.
„Interessant war, dass die Mehrheit der Frauen in beiden Gruppen zum Ausdruck brachte, dass sie die telemedizinische Option bevorzugten. Dieses Betreuungsmodell kann vor allem in ressourcenarmen Gebieten von Bedeutung sein, in denen es an medizinischer Infrastruktur mangelt oder restriktive Abtreibungsgesetze gelten. Frauen können zum Beispiel in einer Klinik untersucht werden, die keinen Zugang zu Ultraschall hat, und werden dann aus der Ferne bei der Abtreibung beraten“, sagt Margit Endler.
Die Forscher planen nun eine weitere Studie in Afrika, in der sie untersuchen wollen, ob Frauen, bei denen das Risiko von Komplikationen als gering eingestuft wird, ganz auf den Besuch in der Klinik verzichten können.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Karolinska Institutet. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: freestocks, unsplash