Befunde zu Leitungsbahnen des Frontallappens bei übergewichtigen Frauen ähneln denen älterer Menschen. Die Leitstrukturen altern demzufolge scheinbar frühzeitig und verringern dadurch die Weiterleitung von Signalen.
Übergewicht kann den Aufbau des Gehirns beeinflussen und seine Arbeitsweise beeinträchtigen. So ist zum Beispiel ein Zusammenhang zwischen dem Body-Mass-Index (BMI) und Veränderungen im Gehirn, wie zum Beispiel der Großhirnrinde, bekannt. Der sogenannte dorsolaterale präfrontale Kortex, eine Region im Frontallappen der Großhirnrinde, ist an der Kontrolle unseres Verhaltens in den unterschiedlichsten Situationen des alltäglichen Lebens beteiligt, darunter auch an der Kontrolle unseres Essverhaltens. Leipziger Forscher haben nun an einer Gruppe normal- und übergewichtiger Frauen die gewichtsabhängigen Veränderungen der Leitungsbahnen und Region des Frontallappens analysiert. Sie betrachteten dabei verschiedene Indikatoren für Übergewichtigkeit, etwa den Body-Mass-Index und den Leptinspiegel. Die Befunde im Gehirn ähneln dabei solchen bei älteren Menschen: Im Alter nimmt die Weiterleitung von Nervensignalen über diese Leitungsbahnen ab, sodass ein Nervensignal nicht so schnell vom einen an den anderen Ort gelangen kann. Dafür sind mitunter die Ummantelungen der Nervenstränge verantwortlich, die aus Myelin bestehen. Im Alter nimmt dieser Myelinmantel ab, sodass Signale nicht mehr so schnell übertragen werden können. „Das führt dazu, dass sich gewisse Denk- und Handlungsprozesse im Verlauf des Alters verändern“, sagt Burkhard Pleger, einer der Mitautoren. „Eine mögliche Interpretation unserer Ergebnisse könnte sein, dass die Struktur einiger Leitungsbahnen bei Übergewichtigen frühzeitig gealtert ist. Dies bleibt aber zurzeit noch spekulativ.“ Die Veränderung von verhaltensrelevanten Strukturen des Frontallappens bestätigen zudem die Idee, Diäten in Zukunft mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen aus der Psychologie zu kombinieren, damit die Betroffenen lernen, auch in Zukunft ihr Essverhalten besser zu kontrollieren. „Wenn wir wissen, welche Hirnregionen und Leitungsbahnen durch Übergewicht verändert werden, lernen wir auch etwas darüber, wie Übergewicht die Arbeitsweise des Gehirns beeinflusst. Durch die Kombination einer Diät mit gezieltem Verhaltenstraining versuchen wir nun, den Betroffenen ein besseres Essverhalten beizubringen um damit langfristig das Gewicht zu stabilisieren“, sagt Pleger. Originalpublikation: Obesity associated cerebral gray and white matter alterations are interrelated in the female brain Burkhard Pleger et al.; PLOS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0114206; 2014