Zellkulturen, die als Mini-Versionen bestimmte Organe nachahmen sind besonders zukunftsträchtig. Das menschliche Hirn nachzubauen ist jedoch kompliziert. Forschern ist es nun gelungen, die Mini-Gehirne zu optimieren.
Organoide sind dreidimensionale Zellkulturen, in denen Miniatur-Versionen von Organen heranwachsen. Für die Forschung sind sie äußerst zukunftsträchtig, da Therapien ideal erforscht werden können. Organoide, die die menschliche Großhirnrinde nachahmen, gab es bisher nur in unzureichender Qualität. Das Problem: Schon von Beginn an muss eine sehr reine Stammzellkultur des Nervensystems geschaffen werden, damit eine korrekte Bauanleitung für möglichst realitätsgetreue Organoide vorgegeben wird. Schon lange suchen Labore nach der richtigen Bauanleitung des Gehirns – doch jedes Mal mit unterschiedlichen Ergebnissen. Ein Forschungsteam analysierte daher die bestehenden Techniken, um ein standardisiertes Protokoll für Hirnorganoide zu entwickeln, die der menschlichen Großhirnrinde möglichst nahe kommt.
Dazu prüften sie die Inhibitoren, die der sich entwickelnden Zelle vermitteln, in welchen Zelltyp sie sich nicht verwandeln sollen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass vermutlich drei verschiedene Signalwege blockiert werden müssen, damit sich Stammzellen in detailgetreue Hirnzellen entwickeln. Dies probten sie in ihrem Modell. Und tatächlich: Es bildeten sich zelluläre Anhäufungen, die die unterschiedlichen Schichten der menschlichen Hirnrinde nachahmen und Outer Radial Glia (oRG)-Zellen – spezialisierte Stammzellen, die für die menschliche Großhirnrinde verantwortlich sind – enthielten.
Organoid der menschlichen Großhirnrinde unter dem Mikroskop. Quelle: Sneha Arora, MPIMG
„Die Kombination von Dual-SMAD- und WNT-Hemmung war ein Schlüsselfaktor, denn beide wurden bisher meist getrennt eingesetzt“, sagt Erstautorin Sneha Arora. „Erst bilden wir die besten Baumeister für unsere Organoide aus und dann bringen wir sie zum Einsatz. Sobald die Zellen ihre Anweisungen verinnerlicht haben, brauchen wir nicht mehr viel zu tun und das Organoid baut sich wie von selbst zusammen, dieses Mal korrekt“, so Arora. Ihrer Meinung nach spielen das Timing und die Dosierung der Wirkstoffe eine wesentliche Rolle. „In der Anfangsphase und innerhalb von nur acht Tagen konnten wir eine sehr homogene Ausgangspopulation von Zellen erzeugen. Diese erwiesen sich als die besten Grundbausteine für das gesamte Organ.“ Die Forscher entwickelten daraus ein Protokoll, um konsistent Organoide der Großhirnrinde mit großer Detailtreue zu erzeugen.
Mikroskopie-Bild des Organoids: Die typischen Schichten der Großhirnrinde sind erkennbar. Quelle: Shneha Arora, MPIMG.
Das Team wies außerdem nach, dass die Organoide oRG-Zellen entwickeln. Diese Stammzellen spielen eine entscheidende Rolle bei der Gehirnentwicklung und sind für die enorm vergrößerte Hirnrinde bei Primaten verantwortlich. „Die oRG-Zellen werden im Laufe unserer Entwicklung nach und nach zu den wichtigsten Stammzellen im Gehirn“, sagt Forschungsleiter Dr. Yechiel Elkabetz. „Das ist ein ziemlich großer Erfolg. Wir werden endlich in der Lage sein, Modelle von Krankheiten wie Mikrozephalie herzustellen, die hinreichend aussagekräftig sind und der Realität eines echten Organs näher kommen“, so Elkabetz.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik. Hier gehts zur Originalpublikation.
Bildquelle: Priyanka Singh, unsplash.