Abnorme Aggregationen des Proteins FUS werden mit der Entstehung von familiärer ALS in Verbindung gebracht. Japanische Forscher untersuchten, wie es zu den Ablagerungen kommt – und wie die Aminosäure Arginin sie unterbinden könnte.
Fused in sarcoma (FUS) ist ein multifunktionales RNA-bindendes Protein, das die Transkription und mRNA-Verarbeitung in den Zellen reguliert. Es ist hauptsächlich im Zellkern und in Spuren auch im Zytoplasma vorhanden. Veränderungen des FUS-Proteins und seine abnorme Aggregation werden mit der Entwicklung neurodegenerativer Krankheiten wie der familiären amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und der frontotemporalen Lobärdegeneration in Verbindung gebracht.
Es konnte bereits festgestellt werden, dass FUS, wie viele andere Proteine auch, sowohl unter künstlichen Laborbedingungen als auch unter natürlichen Bedingungen im Körper eine Flüssig-Flüssig-Phasentrennung (LLPS) durchläuft. Dabei bilden sich flüssigkeitsähnliche Tröpfchen, die Ribonukleoprotein-Aggregate enthalten. LLPS trennt Lösungen von Makromolekülen wie Proteinen und RNA in zwei unterschiedliche Flüssigphasen, die verschiedene biologische Funktionen haben. Obwohl die LLPS von FUS, die zu einem abnormalen Flüssig-Fest-Übergang führt, als Ursache für ALS vermutet wird, ist der zugrundeliegende Mechanismus des Prozesses bislang noch unbekannt.
Zu diesem Zweck hat eine Gruppe von Forschern der Ritsumeikan-Universität in Japan die Dynamik der FUS-LLPS-Flüssigkeitskondensate untersucht. Das Team um Prof. Ryo Kitahara fand heraus, wie FUS einen Phasenübergang durchläuft, und identifizierte außerdem ein neues therapeutisches Ziel für ALS. Die Studie wurde kürzlich in der Zeitschrift Physical Chemistry Chemical Physics veröffentlicht. Prof. Kitahara erklärt: „Der Mechanismus des Phasenübergangs von FUS von flüssig zu fest muss verstanden werden, um den Ausbruch von ALS zu verstehen und therapeutische Wirkstoffe zu entwickeln, die auf FUS abzielen.“
Frühere Studien haben gezeigt, dass die LLPS von FUS zwei verschiedene, reversible Arten von flüssigen Kondensaten im Gleichgewicht bildet: die LP-LLPS (normaler Typ) und die HP-LLPS (aberranter Typ), jeweils mit unterschiedlichen partiellen Molvolumina. Diese Informationen boten dem Team eine gute Grundlage. Sie untersuchten nun FUS-Lösungen mit Hilfe einer Methode namens FRAP (fluorescence recovery after photobleaching), sowie mit UV/Vis-Spektroskopie und Mikroskopie in Kombination mit hydrostatischen Druckschwankungen.
Die Ergebnisse der FRAP-Experimente lieferten interessante Einblicke in die Dynamik der FUS-Phasenübergänge. Offenbar beschleunigte HP-LLPS die „Alterung von Tröpfchen“, d. h. den zeitabhängigen Übergang von flüssigen Kondensaten in feste Aggregate. Angeregt durch diese Entdeckung untersuchten die Forscher mit UV-Vis-Spektroskopie die Reversibilität der Phasen. Sie fanden dabei heraus, dass die zeitabhängige Bildung von irreversiblen FUS-Aggregaten bei HP-LLPS größer war als bei LP-LLPS. Mit anderen Worten: HP-LLPS förderte mit der Zeit die Bildung irreversibler fester Aggregate, was möglicherweise der Grund für die Alterung oder Degeneration von Nervenzellen sein könnte.
Prof. Kitahara bestätigt: „Wir vermuten, dass die Bildung von HP-LLPS über einphasige oder LP-LLPS der physiologische Weg sein könnte, der der abnormen Umwandlung von flüssigen FUS-Kondensaten in feste Phasen zugrunde liegt.“
Nach dieser Bestätigung, dass die LLPS-Dynamik der Schlüssel zu neurodegenerativen Störungen ist, wollten die Autoren nach potenziellen therapeutischen Mitteln suchen. Da FUS-LLPS durch Wechselwirkungen zwischen Tyrosin- und Argininresten gesteuert wird, untersuchte das Team die Wirkung kleiner Moleküle wie Arginin, Dopamin und Brenzkatechin auf LLPS und Tröpfchenbildung.
Interessanterweise stellten sie fest, dass alle drei die Bildung von HP-LLPS stärker unterdrückten als die von LP-LLPS. Sie waren begeistert, dass Arginin die FUS-Aggregation schon bei sehr niedrigen Konzentrationen unterdrückte. „Nervenzellen altern allmählich aufgrund abnormaler Proteinaggregation, können aber durch den Verbrauch von Arginin gesund bleiben. Daher könnte Arginin ein plausibler Wirkstoffkandidat für die ALS-verursachende FUS sein“, erklärt Kitahara. Obwohl Arginin bereits als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet wird, sollten seine Auswirkungen auf die Vorbeugung der ALS und die Verzögerung ihres Fortschreitens durch künftige klinische Studien bestätigt werden.
Kitahara erklärt: „Diese Studie ist die erste, die abweichende LLPS als therapeutisches Ziel identifiziert. Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse nicht nur dazu beitragen werden, neue Behandlungsmöglichkeiten für ALS zu finden, sondern auch weitere Studien über die Bedeutung von aberrantem LLPS bei verschiedenen menschlichen Krankheiten anregen werden.“
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Ritsumeikan University. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: David Clode, unsplash.