Jeder zehnte Mann über 21 Jahre leidet an Impotenz. Im Orchester der männlichen Botenstoffe spielen viele Faktoren eine Rolle, einer der wichtigsten ist Stickstoffmonoxid. Neue Studien zeigen, dass ein erhöhter Harnsäurewert den Spiegel senken kann und auf die Potenz schlägt.
Die Ursachen für erektile Dysfunktion (ED) sind vielfältig: Störungen der Hormonproduktion oder -regelung, Diabetes, psychische Erkrankungen, Nebenwirkungen von Medikamenten oder einfach nur Stress. 50 Prozent der Fälle sind organisch bedingt, Gefäßerkrankungen oder eine Störung des Blutflusses im Penis stehen im Vordergrund.
Phosphodiesterasehemmer wurden ursprünglich als Herzmedikament entwickelt, jedoch als solche wegen ihrer unzureichenden Wirkung nie eingesetzt. Einen Siegeszug erleben sie jedoch als Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion. Mittlerweile sind vier PDE-5-Hemmer auf dem Markt. Sie hemmen selektiv und nicht spezifisch die Phosphodiesterase Typ 5. Dieses Enzym ist für den Abbau von Stickstoffmonoxid (NO) verantwortlich. Die hormonähnliche Substanz hat eine relaxierende Wirkung. Dies hat zur Folge, dass der Schwellkörper des Penis sich vermehrt mit Blut füllt. NO führt auch zu einer Vasodilatation der peripheren Gefäße und somit zu einem Blutdruckabfall. Außerdem ist es für die kardiale Durchblutung notwendig. Die Achse „Impotenz – Herz – Blutdruck“ wird also durch NO maßgeblich beeinflusst. Mathematisch zwar nicht korrekt, aber es gibt noch einen kleineren gemeinsamen Nenner als NO: Harnsäure. Ein erhöhter Harnsäurespiegel lässt den NO-Spiegel sinken und kann so auch eine ED begünstigen oder gar auslösen.
In einer Fallkontrollstudie von Salem et al. wurde bei 251 männlichen Patienten mit neu diagnostizierter erektiler Dysfunktion und ohne vorherigen Gebrauch eines PDE-5-Hemmers sowie an „potenten Probanden“ der Einfluss von Harnsäure ermittelt. Bestimmt wurden die Parameter Serumharnsäure, Alter, Rauchen, Fettwerte, Hypertonie, Adipositas und Diabetes. Das soziale Umfeld war bei allen Partnern vergleichbar. Die erektile Dysfunktion bestand im Durchschnitt seit 31,85 ± 19,41 Monaten. Patienten mit ED hatten signifikant höhere Harnsäurewerte als Patienten ohne erektile Dysfunktion (6,12 ± 1,55 mg/dl vs. 4,97 ± 1,09 mg/dl). Je höher der Serumharnsäurespiegel war, desto Größer war das Risiko für eine ED. Erstaunlicherweise steigt das Risiko bereits ab einem Serumharnsäurewert von 4,5 bis 5,6 mg/dl. Ab einem Wert von 6,4 mg/dl liegt eine Hyperurikämie vor, bei tophösen Ablagerungen wird dies als Gicht codiert. Pro 1 mg/dl höherer Harnsäure ergab sich eine Verdoppelung des Risikos, eine erektile Dysfunktion zu entwickeln. Die Studienautoren leiten aus den Ergebnissen ab, dass der Serumharnsäurewert ein Prädiktor für die Entwicklung einer erektilen Dysfunktion ist und dass die Höhe des Serumharnsäurespiegels ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer erektilen Dysfunktion ist.
Solak und Mitarbeiter befragten 312 männliche Probanden mit Symptomen einer kardiovaskulären Erkrankung nach Potenzproblemen und ermittelten ihre Harnsäurewerte. Knapp die Hälfte gab an, unter einer erektilen Dysfunktion zu leiden. Die Patienten mit erektiler Dysfunktion waren älter, hatten häufiger KHK, Hypertonie, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz und hatten signifikant höhere Werte bei Serumharnsäure, Fibrinogen, Blutglucose, CRP und Triglyzeriden. Die Autoren folgern daraus, dass eine erektile Dysfunktion eine Vorhersage auf eine KHK sein kann. Außerdem postulieren sie, dass Patienten mit Verdacht auf kardial bedingte Thoraxschmerzen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eine erektile Dysfunktion haben, wenn sie erhöhte Harnsäurewerte haben. Die Autoren fordern Studien, die zeigen, was bezüglich dieser Zusammenhänge geschieht, wenn die Harnsäure medikamentös gesenkt wird. Bei kardial-ischämischen Erkrankungen und der erektilen Dysfunktion liegen Gefäßschäden, u. a. des Endothels vor. Durchblutungsstörungen und inflammatorische Prozesse werden durch erhöhte Harnsäurewerte begünstigt.
Dr. Naomi Schlesinger und Mitarbeiter befragten über einen Zeitraum von 32 Monaten alle männlichen Patienten ihrer Rheumaklinik, ob sie auch unter Potenzproblemen leiden. Von den 201 Teilnehmern, die bereit waren, an der Befragung teilzunehmen, hatten 83 Gicht. Bei den Gichtpatienten hatten 76 Prozent eine erektile Dysfunktion, bei den Teilnehmern ohne Gicht waren es 52 Prozent. Die Stärke der erektilen Dysfunktion wurde mit Hilfe des SHIM (Sexual Health Inventory in Men)-Index ermittelt. Sie war bei den Gichtpatienten statistisch signifikant größer. Das Lebensalter und vorhandene Tophi steigerten das Risiko weiter, eine ED zu entwickeln. „Wir waren wirklich überrascht, wie viele Gichtpatienten unter erektiler Dysfunktion litten“, erklärt Studienautorin Schleisinger. Erhält ein Patient einen Xanthinoxidasehemmer wie Allopurinol oder Febuxostat, sinkt auch der Blutdruck und teilweise endotheliale Entzündungsparameter. Es fehlen Studien, die diesen Effekt auch für die ED analysieren.
Diese und weitere Studien lassen die Frage aufkommen, ob der in diversen Leitlinien genannte Zielwert von 6,0 mg/dl Harnsäure nicht abgesenkt werden müsste. Der bisherige Ansatz bestand darin, dass Harnsäure unter diesem Wert nicht als Natriumsalz ausfallen kann. Ein Patient mit Gicht würde so vor Anfällen geschützt werden. Da zahlreiche neue Studien belegen, dass bereits eine asymptomatische Hyperurikämie zu Organschäden führen kann, muss die Zielsetzung überprüft werden. Da Erkrankungen wie endotheliale Dysfunktion und ED auch schon bei Werten knapp unter 5 mg/dl begünstigt werden, bekommt ein Zielwert von 5 mg/dl eine neue Bedeutung. Harnsäure nimmt im Körper aber auch sinnvolle Aufgaben war. Eine noch deutlich tiefere Senkung erscheint deshalb auch nicht sinnvoll.
Die ersten EULAR-Empfehlungen zur Gicht wurden im Jahr 2006 veröffentlicht. Vor Kurzem traf sich das Komitee in Paris, um ein Update vorzustellen. Hier wird ein Zielwert von 5,0 mg/dl Harnsäure bei schwerer Gicht angestrebt. Dieser Zielwert ist nicht mit dem Referenzbereich der Harnsäure zu verwechseln, der höher liegt, geschlechtsspezifisch unterschiedlich ist und nur für Nicht-Gichtpatienten gilt. Im EULAR-Update sind die neuen Erkenntnisse, dass Gicht zahlreiche Systemerkrankungen auslösen kann, bereits berücksichtigt. „Jeder Gichtbetroffene sollte systematisch hinsichtlich Komorbiditäten und kardiovaskulären Erkrankungen gescreent werden. Dazu gehören: renale Störungen, koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Schlaganfall, pAVK, Adipositas, Hyperlipidämie, Bluthochdruck, Diabetes und Rauchen.“ Gegenüber der alten EULAR-Leitlinie gehören zu den wichtigen Änderungen die Aufnahme neuerer Pharmaka wie IL-1-Blockern (Canakinumab), Febuxostat und Pegloticase. Aus all diesen neuen Erkenntnissen ergeben sich Auswirkungen auf die Praxis. Patienten mit erhöhter Harnsäure sollten auch nach ED befragt und auf kardiale Erkrankungen gescreent werden. Umgekehrt erscheint es sinnvoll, bei Patienten mit Potenzproblemen die Harnsäure zu messen.