Zeig mir deine Blutprobe und ich sage dir, ob du letzte Nacht geschlafen hast. Das ist die These, die einer Studie britischer Forscher zugrunde liegt. Sie haben einen Bluttest entwickelt, der Schlafentzug anzeigt. Er könnte dazu genutzt werden, Verkehrsunfälle aufzuklären.
Im Rahmen dieser Studie beschäftigten sich Derk-Jan Dijk vom Sleep Research Centre der Universität Surrey und seine Kollegen mit Schlafentzug. Insgesamt zog man Daten von 532 Personen heran: 254 Probanden schliefen eine Woche lang ausreichend, 242 schliefen über den selben Zeitraum hinweg unzureichend und 36 Personen setzten eine Nacht aus und schliefen gar nicht. Während der Phase des Schlafentzugs entnahmen die Forscher Blutproben und maßen Veränderungen in den Expressions-Levels tausender Gene.
Die Proben wurden von einer Maschine gescannt, die anhand erlernter Algorithmen die für den Untersuchungszweck relevanten Gene erkennen kann. Verglichen wurden in der Studie drei Schlaftypen:
Der Computer identifizierte einen Satz von 68 Genen und konnte mit einer Präzision von 92 Prozent feststellen, ob die Blutprobe von einer Person stammte, die Schlafentzug ausgesetzt war oder von einer ausgeruhten Person. Dieses Ergebnis bezieht sich lediglich auf Probanden, die eine ganze Nacht nicht geschlafen hatten. Bei Personen, die chronisch unzureichend Schlaf hatten war die Maschine mit 57 Prozent deutlich ungenauer.
Diese neue Erkenntnis könnte zukünftig beispielsweise in der Rechtsmedizin von Bedeutung sein. Mit einem Test könnte man etwa nach Autounfällen nachvollziehen, ob der Fahrer an Schlafentzug litt. Frühere Forschungen zur Verkehrssicherheit ergaben, dass Autofahrer, die innerhalb von 24 Stunden nur fünf statt sieben Stunden schlafen, ihr Risiko für Unfälle im Straßenverkehr fast verdoppeln. „Wir alle wissen, dass zu wenig Schlaf ein wesentliches Risiko für unsere physische und mentale Gesundheit darstellt, speziell auf längere Sicht,“ sagt Dr. Emma Lain, Bioinformatikerin an der Universität von Surrey. „Allerdings ist es schwer festzustellen, wie viel Schlaf eine Person hatte und das wiederum erschwert es der Polizei, einzuschätzen, ob ein Fahrer fit genug war, um zu fahren oder Arbeitgebern, ob das Personal fit genug ist, um zu arbeiten.“
Simon Archer, Molekularbiologe an der Universiät Surrey, sagt: „Diese Biomarker zu kennen, ist der erste Schritt, um einen Test zu entwickeln, der genau errechnen kann, wie viel Schlaf eine Person hatte. Die reine Existenz solcher Biomarker im Blut nach einer Zeitspanne von nur 24 Stunden ohne Schlaf zeigt, was für physiologische Auswirkungen Schlafentzug auf den Körper haben kann.“ Dijk will den Test noch weiterentwickeln. „Der nächste Schritt ist, Biomarker für chronischen Schlafmangel zu identifizieren, der bekanntlich mit gesundheitlichen Schäden assoziiert ist.“
Die zeitlichen Angaben zu ausreichendem und ungenügendem Schlaf sind kritisch zu betrachten. Dass man ab weniger als 6 Stunden Schlaf pro Nacht von einem kurzen Schlaf spricht, diese Aussage werden wohl die meisten Forscher unterstützen. Anders ist es bei der Kategorie ausreichender Schlaf. In der Studie wird dieser mit 8,5 Stunden definiert – eine großzügige Angabe, wenn man sie mit anderen Arbeiten vergleicht: In einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 2002 wurden 7 Stunden Schlaf pro Tag als optimale Schlafdauer eruiert, in einer kanadischen Studie von 2013 beträgt die adequate Schlafdauer für Erwachsene 7-8 Stunden. Erst kürzlich wurde auf dem ESC eine Studie vorgestellt, in der man zum Ergebnis kam, dass zwischen 6 und 8 Stunden Schlaf pro Nacht am besten für die kardiovaskuläre Gesundheit sind. Wie man ausreichend Schlaf definiert, darüber lässt sich also streiten. Des Weiteren ist aufgrund der niedrigen Probandenzahl die Aussagekraft der Studie gering und bedarf weiterer Forschungen auf dem Gebiet, betonen die Studienautoren. Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der University of Surrey, UK.