Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie schlägt Alarm: Wegen veränderter Ernährungsgewohnheiten ist der Iodmangel wieder auf dem Vormarsch. Welche Patienten supplementieren sollten, lest ihr hier.
Anlässlich des Beschusses des Atomkraftwerks Saporischschja in der Ukraine ist das Interesse an Iod derzeit groß. Dabei geht es jedoch um eine vorbeugende Einnahme – die Schilddrüse soll so vor radioaktiv verseuchtem Iod geschützt werden. Weniger im Fokus steht, dass Deutschland nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO wieder zu einem Iodmangelgebiet wurde.
Hauptgrund ist der Rückgang des Gebrauchs von iodiertem Speisesalz in der professionellen Lebensmittelverarbeitung, etwa bei Fertiggerichten. Werde nicht bewusst auf eine gute Iodversorgung geachtet, drohe ein Anstieg von Schilddrüsenvergrößerungen und Schilddrüsenknoten in Deutschland, warnt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Schwangere seien durch einen Iodmangel besonders gefährdet: Er könne die geistige und körperliche Entwicklung des ungeborenen Kindes gefährden.
Iod ist ein lebenswichtiger Baustein für Gesundheit und Wohlbefinden. Fehlt das Spurenelement, kann die Schilddrüse die Hormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3) nicht herstellen. Sie spielen eine zentrale Rolle; etwa bei der Steuerung der körperlichen und geistigen Entwicklung, aber auch beim Protein-, Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel sowie bei der Regulation des Wärme- und Kälteempfindens.
Doch das Robert-Koch-Institut dokumentiert eine rückläufige Iodversorgung. „Sie ist hauptsächlich auf einen geringeren Einsatz von iodiertem Speisesalz in der professionellen Lebensmittelverarbeitung zurückzuführen“, sagt Prof. Joachim Feldkamp, Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Infektiologie am Klinikum Bielefeld. In der Lebensmittelindustrie werde zwar oftmals sehr viel Salz eingesetzt, jedoch immer seltener die iodierte Variante. Stehen dann häufig Fertiggerichte auf dem Speiseplan, wirke sich das auf die Versorgung aus, so der Endokrinologe.
Die wesentlichen Gründe für den Rückgang sind zum einen der Kostendruck: „Iodiertes Speisesalz ist geringfügig teurer“. Hinzu komme die Internationalisierung der Märkte: „Da in verschiedenen Ländern unterschiedliche Regularien zur Möglichkeit der Iodierung von Speisesalz bestehen, wird von den Lebensmittelproduzenten oft der zulassungstechnisch einfachere und kostengünstigere Weg ohne iodiertes Speisesalz eingeschlagen“, führt Feldkamp aus.
„Auch wenn etwa 70 bis 75 Prozent der privaten Haushalte erfreulicherweise iodiertes Speisesalz verwenden, greifen einige Konsumenten vermehrt bewusst zu uniodiertem Salz oder setzen auf kochsalzarme Ernährung“, sagt der Experte. Dies verstärke die Mangelsituation. Er warnt: „Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen schlechter Iodversorgung und dem Auftreten von Schilddrüsenvergrößerungen und Schilddrüsenknoten.“ Damit werde auch die Häufigkeit von Schilddrüsenoperationen wieder steigen.
Zudem entwickeln sich bei Iodmangel häufiger die gutartigen hyperfunktionellen Knoten, die sogenannten „heißen Knoten“. Diese können zu einer Überfunktion der Schilddrüse führen. „Zeichen dafür sind Schwitzen, Pulsbeschleunigung, Durchfall, Gewichtsabnahme, Unruhe, Schlafstörungen, Ängste, Konzentrationsstörungen.“ Aber auch ernsthafte Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern sind mögliche Folgen.
Vor allem Frauen sollten während Schwangerschaft und Stillzeit auf eine zusätzliche Iodzufuhr achten. Der beschleunigte Stoffwechsel während der Schwangerschaft erhöhe den Iodverbrauch und führe zu einer höheren Ausscheidung im Urin. Schon ein leichter Iodmangel der Mutter kann den Intelligenzquotienten beim Kind beeinträchtigen. „Die DGE rät daher in ihren „Klug Entscheiden“- Empfehlungen gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) allen Frauen die Supplementierung von Iod in Schwangerschaft und Stillzeit“, sagt auch DGE-Mediensprecher Prof. Stephan Petersenn von der ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg.
Zurückhaltung mit dem Spurenelement ist jedoch geboten, wenn eine Schilddrüsenüberfunktion oder eine bösartige Schilddrüsenerkrankung vorliegt.
Die empfohlene tägliche Zufuhr an Iod beträgt 150-200 Mikrogramm Iod. Schwangere und Stillende dürfen die doppelte Menge enthalten. Eine ausreichende Iodversorgung ist leicht möglich, wenn bewusst auf den Verzehr iodhaltiger Lebensmittel geachtet und häufig selbst gekocht wird: „Iodhaltige Nahrungsergänzungsmittel sind in der Regel dann nicht notwendig“, sagt Feldkamp. Bei Schwangeren und Stillenden oder Personen, die auf tierische Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Milch und Eier verzichten, kann eine Supplementierung sinnvoll sein. Um etwa eine Überfunktion der Schilddrüse zu verhindern, sollte diese jedoch erst nach ärztlicher Beratung erfolgen.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.
Bildquelle: Timo Volz, unsplash