Eine 59-jährige Frau kommt mit einer Wunde an der Hand ins Krankenhaus. Doch verschiedenste Antibiosen sowie eine adäquate Wundversorgung bringen lange keine Besserung. Erst nachdem die Ärzte noch einmal alles sorgfältig durchgehen, kommt ihnen eine ausgefuchste Idee.
Eine 59-jährige Frau entdeckt während eines Spaziergangs ein regungslos am Boden liegendes Eichhörnchen. Sie geht in die Knie, um das Tier genauer zu betrachten, doch als sie es berührt, schnappt es plötzlich zu. Innerhalb kürzester Zeit wird sie zweimal - einmal in den kleinen Finger der rechten Hand und einmal in den Zeigefinger der linken Hand - gebissen. Sie begibt sich daraufhin sofort in ärztliche Behandlung, wo die Wunden gereinigt und verbunden werden sowie ihr Tetanus Impfstatus überprüft wird. Zusätzlich erhält sie eine Antibiose mit Cefuroxim 500 mg zweimal täglich, die noch am selben Tag beginnt.
Doch nun, sechs Tage später, stellt sich die 59-Jährige in der Notaufnahme eines Krankenhauses vor - geplagt von Unwohlsein, Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber und Schüttelfrost. Zusätzlich hat sich an ihrem rechten Ellenbogen eine merkwürdige Schwellung gebildet.
In der körperlichen Untersuchung sind die Bisswunden nach wie vor sichtbar. Sie erscheinen leicht gerötet, doch eindeutige Entzündungszeichen sind nicht ersichtlich. Die Wunden sind nicht druckschmerzhaft, Bewegungen sind uneingeschränkt möglich und die Sensorik ist ebenfalls nicht beeinträchtigt. Bei der Schwellung des Ellenbogens vermuten die Ärzte aufgrund des klinischen Eindrucks eine Lymphadenitis. Darüber hinaus ist die weitere Untersuchung unauffällig: Die Vitalparameter sind stabil und es gibt keine Anhaltspunkte für Meningismus.
Anschließend neben die Ärzte Blut ab, um einige Laborparameter bestimmen zu lassen. Dabei zeigt sich ein erhöhter CRP-Wert, jedoch ohne begleitende Leukozytose oder Anstieg des Procalcitonin-Wertes. Auch verschiedene diagnostische Tests mit Liquor- und Urinproben sind allesamt unauffällig. Weiter auf der Suche nach der Ursache für die Beschwerden, lassen die Ärzte noch Röntgenaufnahmen des Thoraxes und der Finger, sowie eine Computertomographie des Kopfes anfertigen. Doch auch hier sind keinerlei Auffälligkeiten feststellbar.
Auf Verdacht nehmen die Ärzte dennoch einen Tag später noch eine Kombinationstherapie mit intravenösem Ampicillin und Sulbactam auf. Doch seltsamerweise verbessert sich auch darunter der Zustand der Patientin nicht. Ganz im Gegenteil: Das Fieber klettert weiter in die Höhe bis auf 39,2 °C, ebenso der CRP-Wert. Doch zuvor abgenommene Blutkulturen sind nach wie vor negativ. Schließlich intensivieren die Ärzte die Behandlung, indem sie am 11. Tag eine antibiotische Kombinationstherapie mit Piperacillin/Tazobactam beginnen. Darunter sinkt der CRP-Wert zwar leicht ab, doch an der Wunde des rechten kleinen Fingers, bildet sich zeitgleich eine geschwürartige Läsion mit geschwollenen, geröteten Rändern und einer zentralen Verkrustung. Auch die Lymphadenitis des Ellenbogens hält weiter an.
Woran könnte das nun liegen? Die Ärzte gehen noch einmal sämtliche bisherige Befunde durch und überlegen, wo sie eventuell noch etwas übersehen haben könnten. Am Ende dieser gründlichen Reevalutation steht eine neue Theorie: Könnte es eine Tularämie sein? Schließlich wird der Erreger dieser seltenen Zoonose auch von Eichhörnchen übertragen. Daher entnehmen die Ärzte einen Wundabstrich am kleinen Finger der rechten Hand und senden ihn zur weiteren mikrobiologischen Untersuchung ein. Zusätzlich nehmen sie noch Serum für einen Antikörpernachweis ab. Dieser zeigt, dass tatsächlich Antikörper gegen das Lipopolysaccharid von Francisella tularensis vorliegen. Auch eine real-time PCR aus dem Wundabstrich bestätigt später das Vorhandensein von F. tularensis-DNA.
Anschließend wird im Labor der Erreger kultiviert, um ein Antibiogramm zu erstellen. Glücklicherweise ist der Erreger gegenüber allen zur Behandlung von Tularämie empfohlenen Antibiotika sensibel. Doch die bislang angewandten Antibiotika waren hierfür unzureichend. Daher passen die Ärzte die Antibiose umgehend an und verabreichen der 59-Jährigen nun zweimal täglich 500mg Ciprofloxacin für 14 Tage. Darunter stellt sich eine schnelle Besserung ein, Sodas die Patientin schon bald fieberfrei und nur noch mit geringen Kopfschmerzen aus dem Krankenhaus entlassen werden kann.
Text- und Bildquelle: Borgschulte et al. / Journal of Medical Case Reports
Bildquelle: Unsplash / Shane Young