Frische News vom ESC-Kongress: Nach einer aktuellen Studie gibt’s kaum noch Argumente, sekundärpräventive Medikamente bei kardiovaskulären Erkrankungen nicht einfach als Kombi zu geben.
Für das, was die Deutschen dröge Fixkombination nennen, hat sich in der angloamerikanischen Welt der Begriff der Polypill etabliert. Und seit es diesen schönen Begriff gibt, wird die Sache intensiver klinisch untersucht. Beim ESC-Kongress in Barcelona hat das spanische Kardiologie-Urgestein Prof. Valentin Fuster, ehemals Mount Sinai Medical Center in New York, die Ergebnisse der EU-geförderten SECURE-Studie vorgestellt. Sie hat die Fixkombination aus ASS, Atorvastatin und Ramipril im Vergleich zur freien Kombination untersucht. Die Ergebnisse wurden parallel im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
Die SECURE-Studie ist die erste große, randomisierte Studie zur Fixkombination mit harten klinischen Endpunkten in einem Sekundärpräventionsszenario nach Myokardinfarkt. „Unsere Leitfrage lautete: Ist die Adhärenz besser bei einer Polypille und übersetzt sich das in messbar bessere klinische Ergebnisse?“, so Fuster. 2.500 Patienten aus 113 Zentren in sieben Ländern nahmen teil. Aus Deutschland war die Charité Berlin mit Prof. Dr. Wolfram Döhner an Bord.
Alle Patienten waren älter als 65 Jahre und hatten einen Herzinfarkt erlitten. Um ein echtes Risikokollektiv zu haben, mussten sie zusätzlich entweder an Diabetes leiden oder an einer milden bis moderaten Niereninsuffizienz, alternativ in der Vergangenheit bereits einen weiteren Infarkt oder Schlaganfall oder eine koronare Revaskularisation gehabt haben. Bei Patienten ab 75 Jahren reichte der eine Myokardinfarkt aus.
Verglichen wurde eine einmal täglich einzunehmende Polypille aus ASS 100 mg, Atorvastatin 20 oder 40 mg und Ramipril 2,5 oder 5 oder 10 mg mit der entsprechenden freien Kombination der drei Substanzen. Darüber hinaus waren die Behandler bei ihrer Therapie nicht eingeschränkt. Bei Ramipril wurde versucht, durch Aufdosierung alle drei Wochen bis zur Zieldosis von 10 mg zu kommen, Atorvastatin wurde nach LDL dosiert.
Der mediane Follow-up-Zeitraum betrug drei Jahre. Primärer Endpunkt war ein Komposit aus kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Schlaganfall/Myokardinfarkt oder notfallmäßiger Revaskularisierung. Sekundär wurde der klassische kardiovaskuläre Endpunkt evaluiert, also der primäre Endpunkt ohne die Revaskularisierungen.
Und was kam raus? Einiges. „Die Ergebnisse sind eindrucksvoll“, so Fuster. Was den primären Endpunkt angeht, gab es nach im Median drei Jahren eine relative Risikoreduktion um 24 Prozent, was sowohl für Nichtunterlegenheit (p < 0,001) als auch für Überlegenheit (p = 0,02) statistisch signifikant war. Dabei seien die Kaplan-Meier-Kurven schon sehr früh, praktisch von Beginn an, auseinandergegangen, betonte Fuster. Die absoluten Risiken gehen aus folgender Grafik hervor, die Fuster in Barcelona zeigte:
Quelle: Valentin FusterBeim sekundären Endpunkt, dem klassischen kardiovaskulären Endpunkt, war der Unterschied sogar noch größer. Die relative Risikoreduktion betrug 30 Prozent (p = 0,005).
Quelle: Valentin FusterDie Daten zum sekundären Endpunkt zeigen, dass der Vorteil für die Patienten mit Fixkombination nicht in erster Linie auf Revaskularisationen zurückgeht, sondern auf Infarkte, Schlaganfälle und Todesfälle.
Diskutiert wurden in Barcelona die Gründe für diesen doch deutlichen Effekt der Fixkombination. Am Ende sei es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Adhärenz, so Fuster. Die entsprechenden Daten seien im Detail aufgearbeitet worden und zeigten klar eine bessere Adhärenz bei Fixkombination: „Die Adhärenz ist wahrscheinlich der wichtigste Grund.“
Interessanterweise habe es allerdings weder beim LDL noch beim Blutdruck relevante Unterschiede zwischen den Gruppen gegeben, was auf den ersten Blick gegen die Adhärenzthese spricht. Doch vielleicht ist das voreilig. Fuster nannte drei Faktoren: Zum einen spiegele sich ASS nicht in Blutdruck oder LDL wider, sodass die dokumentiert unterschiedliche Adhärenz in den Studienarmen hier klinisch durchgeschlagen haben könnte.
Zum anderen hätten ACE-Hemmer über Blutdrucksenkung hinaus gefäßstabilisierende Effekte, sodass denkbar ist, dass sich Adhärenzunterschiede in der Gefäßstabilität manifestieren, auch wenn sie nicht groß genug waren, um den Blutdruck zu beeinflussen. Schließlich habe es speziell beim LDL noch ein Dosierungsthema gegeben: In der Polypille-Gruppe war bei 40 mg Atorvastatin Schluss, in der Kontrollgruppe gab es nicht wenige Patienten mit 80 mg. „Vielleicht ist es die Kombination von allen drei Faktoren“, so Fuster.
Bildquelle: Isabella and Zsa Fischer, Unsplash